Juhu, s’isch Mäss! Und mit ihr auch wieder Hääfelimäärt, der Teil des Petersplatz-Marktes, an dem Keramik und Geschirr für den täglichen Gebrauch feilgeboten werden. Wie es vor hunderten von Jahren zu dem Kunsthandwerks-Markt kam, warum er heute hipper ist denn je und wie sich eine Keramikerin darauf vorbereitet, erfährst du hier.

Handgemachte Keramik ist gerade DER heisse Scheiss. Je unperfekter und rustikaler sie aussieht, desto besser. Es scheint, als hätten die Leute genug vom Einheitsbrei der Massenware, als wäre analog gefertigtes Steinzeug der perfekte Gegenentwurf zum ansonsten komplett digitalen Leben. Sogar in den bekanntesten Galerien und Museen wird Keramik-Design neuerdings gefeiert. Da kommt uns der Hääfelimäärt genau richtig. Bis am 15. November kannst du dort zauberschöne Stücke für deinen Tisch erstehen. Vieles davon wurde von Keramikerinnen und Keramikern der Region handgefertigt. Aber von Anfang an. 

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Am Anfang war die Wirtschaftskrise Mitte des 15. Jahrhunderts. Um diese zu überwinden, erlaubte der Habsburger Kaiser Friedrich III. der Stadt Basel die Durchführung eines regelmässigen Jahrmarktes – einer Warenmesse. Am 27. Oktober 1471 läuteten die Glocken des Rathauses die erste Basler Herbstmesse ein; das ist nun über 550 Jahre her. Seither hat sich viel verändert. Aber nicht alles. Zum Beispiel gab es bereits an der ersten Messe diverse Vergnügungsangebote. Ein Wettrennen für Frauen und Männer oder eine Lotterie. 1641 kam ein Löwenbändiger mit seinem Tier in die Stadt, 1822 wurden ein «reissender Wolf» und ein «Bastard von Orang Outang aus Afrika» angekündigt. Die Tiere konnte man jeweils auf dem Barfüsserplatz besichtigen.

 

Über die Jahrhunderte veränderte sich die Herbstmesse laufend. Bereits in den ersten Jahren wurden auf dem Münsterplatz Schüsseln, Tassen, Teller und eben; Hääfeli – also kleine Krüge und Töpfe – auf Stroh ausgelegt und verkauft. Weil sich irgendwann die Lehrer der umliegenden Schulen über den Lärm beschwerten, musste der Hääfelimäärt 1877 an den Petersgraben ausweichen. Gemäss Überlieferungen waren die Händler mit dem neuen Standort jedoch gar nicht zufrieden. Dennoch wuchs der Hääfelimäärt um den beschaulichen Petersplatz und neben Geschirr gab es hier bald auch Stoffe, Kleider und Haushaltartikel zu kaufen. Weil sich die Bernoullistrasse besser für die Stände und die grossen Warenauslagen eignete, wurde der Hääfelimäärt um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nach hinten verlegt, wo er auch heute wieder anzutreffen ist. 

 

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Wenn also heute noch etwas an die Ursprünge der Herbstmesse als Warenmesse erinnert, dann das Treiben auf dem Petersplatz. Hier gibt es die meisten Verkaufsstände (256 sind es in diesem Jahr), die grösste Auswahl an Spielsachen, Schmuck oder Lederwaren. Zudem ein einzigartiges Duftgemisch aus Chäsbängel, Rosekiechli, Bratwürsten und gebrannten Mandeln. In der Mitte des Platzes steht die doppelstöckige Resslirytti und die Bernoullistrasse gehört den Hääfeli. 25 Keramikstände haben sich für dieses Jahr angemeldet, über die Hälfte der Kunstschaffenden kommen aus Basel und der Region. Eine davon ist die Keramikerin und Produktdesignerin Sandra Häuptli.

 

Das Publikum ist extrem divers, das mag ich sehr am Hääfelimäärt. Sandra Häuptli

Zum neunten Mal ist sie bereits dabei, seit Januar produziert sie in ihrem Atelier an der Hammerstrasse Schüsseln, Tassen, Butterdosen und mehr für den Hääfelimäärt. «In diesem Jahr bin ich zeitlich etwas knapp dran, vermutlich werde ich während der Messe noch die letzten Schalen fertigstellen», erzählt sie zwei Wochen vor Messebeginn. Die 18 Tage, die der Hääfelimäärt dauert, sind für sie ein Kraftakt. Rund 500 Stücke dreht, brennt und glasiert Sandra durchs Jahr hindurch (alles von Hand!) eigens für die Herbstmesse. Bei Wind und Wetter steht sie schliesslich täglich auf der Bernoullistrasse, gemeinsam mit ihrer Mutter. Danach bräuchte sie jeweils zwei Wochen Urlaub. Dennoch; an der Herbstmesse erreicht sie mit ihrer Arbeit Menschen, die ansonsten kaum auf ihre Produkte stossen würden. «Das Publikum ist extrem divers, das mag ich sehr am Hääfelimäärt. Und dass ich unterdessen Stammkundschaft habe, die mich jedes Jahr an meinem Stand besucht», so Sandra. «Zudem haben wir unter den Marktbetreibenden eine sehr schöne Atmosphäre. Meine Berufskolleginnen und -Kollegen sehe ich zum Teil nur dieses eine Mal im Jahr!»

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Wie das Geschäft läuft, ob das Wetter mitspielt und ob die Leute bereit sind, Geld für Kunsthandwerk auszugeben; das könne man im Vorfeld nie so genau sagen, meint Sandra. Die Messezeit ist für sie daher auch immer mit Anspannung verbunden. «Ich bin schon zwei Wochen lang dagestanden und habe kaum etwas verkauft – das ist dann ein rechter Frust. Auch für dieses Jahr mache ich mir ehrlich gesagt etwas Sorgen …» Hoffentlich unbegründet. Schliesslich ist die Jahrtausende alte Töpferkunst aktuell gefragter denn je und der Hääfelimäärt, ganz ohne eigenes Zutun, gerade wieder extrem im Trend. Die hier erhältlichen Unikate haben zwar ihren Preis, aber die gestalterisch und handwerklich perfekten Gefässe von Sandra und ihren Berufskolleginnen und -Kollegen sind jeden Franken wert.

 

Messe-Facts

  • die erste Basler Herbstmesse wurde 1471 auf dem Kornmarkt (dem heutigen Marktplatz) von den Glocken des Rathauses eingeläutet. Sie wurde im Vorfeld bis nach Genf beworben.
  • Heute läuten die Glocken im Turm der Martinskirche die Messe ein.
  • Seit 2012 gibt es in Basel das «Gesetz über die Basler Herbstmesse», welches die Stadt rechtlich verpflichtet, die Herbstmesse als Kulturerbe zu erhalten und zu stärken. 
  • Der Hääfelimäärt war ursprünglich auf dem Münsterplatz – bis sich 1976 die Lehrer der dortigen Schulen über den Lärm beschwerten, worauf die Verkäufer im Jahr darauf auf den Petersplatz ausweichen mussten. Erst 1982 wurde der Münsterplatz wieder ins Messegeschehen eingebunden. 
  • Vor mehr als hundert Jahren konnte man an der Messe zahlreiche Kuriositäten bestaunen: Tiermenschen wie das Krokodilmädchen oder der Löwenmensch zum Beispiel. Auch ein «Weib ohne Kopf» sorgte 1920 für Aufsehen.
  • Sehr beliebt war früher an der Messe das Hundetheater: Die Tiere spielten Klavier, rechneten und spielten Karten.
  • Auch ein Flohzirkus war bis 1925 an der Herbstmesse mit dabei.
  • Neben Tieren wurden auch Menschen zur Schau gestellt; lappländische Schneemenschen, ungarische Jäger, marokkanische Kameltreiber oder feuerschluckende Afrikaner zum Beispiel.
  • 1888 gab es auf dem Barfüsserplatz erstmals ein dampfgetriebenes Karussell. Um die Jahrhundertwende kamen erste Schiffschaukeln, 1908 ein Autokarussell dazu.
  • Die erste Achterbahn gab es zwischen 1910 und 1916, in den 1920er-Jahren schliesslich Kettenkarusselle und ein Autoscooter. 

DIE BASLER HERBSTMESSE 2022 LÄUFT NOCH BIS AM 13. NOVEMBER. DER HÄÄFELIMÄÄRT BIS AM 15. ER HAT JEWEILS VON 11 BIS 20 UHR GEÖFFNET.

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