Sie sind ernsthaft und witzig, talentiert und professionell. Sie stehen mit einer Lässigkeit und einer Energie auf der Bühne, die einen umhaut. Die Jugendlichen vom jungen theater basel sind aktuell gleich mit zwei neuen Produktionen am Start. BaselLive hat sich mit Theaterleiter Uwe Heinrich und zwei jungen Schauspielenden unterhalten.

Nein, kein Schreibfehler: Das junge theater basel (jtb) will klein geschrieben werden. Vielleicht, weil es dynamischer wirkt. Substantiven haftet oft etwas Sperriges, Schweres an. Nicht so dem jungen theater. Hier geht es nicht um Hamlet oder Ödipus. Hier geht es um Binge Watching, Social Bashing oder Bodyshaming. Um Themen, die Jugendliche bewegen. Und die sind laut dem Theaterpädagogen Uwe Heinrich breiter gefächert als noch vor 20 Jahren: «Die Freiheit ist grösser, die Rollenbilder sind offener, die Jugendlichen fragen sich zu Recht: ,Wo latsch ich jetzt eigentlich hin?' Es geht nicht mehr nur um ‚was will ich mal werden?’. Da sind nun auch Umweltfragen, Fragen nach der politischen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität.»

 

Das junge theater ist eigentlich ein super Beispiel, was musische Erziehung für die gesamte Entwicklung bedeutet.

 

Seit 20 Jahren leitet der Theaterpädagoge aus Dresden das 1977 gegründete jtb bereits. Doch was macht dieses Theater eigentlich so besonders? Weshalb wird es immer wieder an renommierte Festivals eingeladen? Es liegt am Konzept. «Es ist im deutschsprachigen Raum einzigartig, dass Fachleute mit jungen Menschen professionelle Inszenierungen auf die Beine stellen», erklärt Uwe Heinrich. Die Jugendlichen arbeiten hart, wie die Profis. Für eine Inszenierung wird jeweils acht Wochen lang acht Stunden täglich geprobt. Dafür bekommen die Schauspielenden einen Lohn ausbezahlt – fehlen dann aber in der Schule. 

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Wer mitmachen will, wird nicht etwa gecastet, sondern aus einem der laufenden Theaterkurse heraus akquiriert. «Dabei bekommen wir bei weitem nicht alle Talente, die wir gerne hätten», erzählt Uwe Heinrich. «Wenn ich jemanden interessant finde, versuche ich erst einmal möglichst unauffällig rauszukriegen, wie die Person in der Schule ist.» Dennoch bekomme er heute viel öfter eine Absage als früher, berichtet er weiter. «Vor allem bei den Jungs. Die fürchten sich davor, den Anschluss zu verpassen.» Dabei beobachtet der Pädagoge immer wieder, dass die zwei intensiven Probe-Monate im Theater in den seltensten Fällen Auswirkungen auf die Schullaufbahn haben. Er erklärt sich das so: «Die haben in der Zeit zwar nix zu Mathe gelernt, aber sehr viel Selbstbewusstein und Selbstvertrauen entwickelt. Die wissen, dass sie was können und das hilft ihnen. Auch in Mathe. Das junge theater ist eigentlich ein super Beispiel, was musische Erziehung für die gesamte Entwicklung bedeutet.»

 

Plötzlich war zu Hause sitzen und Medien konsumieren der solidarischste Akt, den man leisten konnte.

 

Aktuell ist das jtb mit zwei Produktionen am Start. Das Zweipersonen-Stück Big Sister hatte bereits Ende 2020 Premiere. Im zweiten Stück suchen 14 Jugendliche gemeinsam mit Regisseur Sebastian Nübling und Choreograph Ives Thuwis nach ihren ganz persönlichen Leidenschaften. Die letzten Proben zu dem Stück mit dem Titel Born to shine, laufen.  «Allerdings», schmunzelt Uwe Heinrich, «hiess das Stück bis vor zwei Tagen noch Netflix & Chill». So ist das eben, wenn man mit jungen Menschen arbeitet. Da ist Flexibilität gefragt. Und dann hat auch noch Corona reingefunkt. «Eigentlich wollten wir mit dem Stück unter anderem das Thema Binge-Watching thematisieren», erzählt er. «Wir hatten bis zur Pandemie ja alle einen kritischen Blick auf diesen massiven Medienkonsum. Und dann war das plötzlich der solidarischste Akt, den man leisten konnte. Wer zu Hause blieb, gehörte zu den Guten. Wer draussen rumrannte, war gefährlich. Deshalb ist diese Produktion nun sehr viel offener, als eigentlich geplant.» 

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Die beiden Stücke born to shine und Big Sister sind hoffentlich bald im jungen theater basel auf dem Kasernenareal zu sehen. Das Zwei-Personen-Stück Big Sister wird zudem in echten Klassenzimmern an Schulen gespielt. Nach den endlos scheinenden Wochen ohne Kultur freuen sich die Jugendlichen sehr, dass sie dann endlich zeigen können, woran sie gemeinsam mit Regisseuren, Autoren und Choreographen so intensiv gearbeitet haben. Und wir freuen uns auf umwerfende, vor Energie sprühende Inszenierungen, die Mut machen. Denn, wie Uwe Heinrich im Gespräch so schön sagt: «Bei jungen Leuten auf der Bühne ist das ja etwas mehr als Unterhaltung. Da liegt eine grössere Hoffnung drin. Man kann sich einreden, die Welt wird anders.» 

 

Liam Veith spielt Mati in Big Sister

 

Zwei Personen, ein Schulzimmer: In «Big Sister» spielt der 17-jährige Liam Veith zusammen mit Emma Mösch in einem 45-minütigen Zwei-Personen-Stück. Liam ist 17 Jahre alt, Schüler am Gymnasium Muttenz und wohnt in Pratteln. 

 

Liam, wie bist du auf die Idee gekommen Theater zu spielen?

Mein Götti ist der Schauspieler Mathis Künzler. Durch ihn kam ich früh mit Theaterspiel in Kontakt und es hat mich von Anfang an geflasht. Ich wollte das auch können, die Leute so reinziehen, mit ihnen Geschichten erleben. Also hab ich mich schlau gemacht, bin auf das Basler Kindertheater gestossen und hab da mit 11 Jahren begonnen. Zu sehen, wie das Publikum reagiert, hat mich immer fasziniert. Und auch, dass ich mal den bösen Siech spielen kann. Seit 2020 bin ich nun im jungen theater basel. 

 

Wie war das für dich, als du für «Big Sister» angefragt wurdest?

Ich hab mich mega gefreut! Mir war bewusst, dass das eine ziemliche Ehre ist. Also habe ich sofort zugesagt. Im Nachhinein habe ich dann aber schon gemerkt, dass es mich schulisch etwas zurückgeworfen hat ... Ich würde es trotzdem sofort wieder machen. 

 

Kannst du dich an die erste Probe erinnern?

Ja! Ich war sehr aufgeregt, weil das nun ja eine professionelle, bezahlte Produktion ist und ich keine Ahnung hatte, was man von mir erwartet. Als ich aber merkte, dass es zum Ausprobieren, Fehler machen und Lernen Platz hat, ging viel Druck weg. 

 

Gab es Momente, in denen du gedacht hast, das schaffe ich nicht?

Gegen Ende der Probezeit hatten wir von morgens bis abends Proben. Das war intensiv. Gewisse Sachen haben einfach nicht funktioniert. Und ich habe angefangen an mir selbst und meinen Fähigkeiten zu zweifeln. Ich kam manchmal frustriert nach Hause, alle waren schon im Bett. Das war stressig. Aber ich hatte nie das Gefühl, es geht nicht. Vor allem da die gute Laune und das Gefühl von Teamwork in den Proben nie abhandenkam.  

 

Wie ging’s dir vor der Premiere?

Sobald du hörst, wie die Leute in den Saal kommen, weisst du; jetzt gibt’s kein Zurück mehr. Da ist dann diese Mischung aus Angst, Aufregung und Freude. Ich habe kurz das Gefühl, dass ich es nicht aushalte, doch dann schalte ich den Kopf aus und mach einfach. Es sind genau diese Momente, die ich am Theaterspielen so cool finde. Dann fühle ich mich lebendig. 

 

Und wie lief es?

Es war wie ein Fiebertraum. Plötzlich war es vorbei und ich war mega happy. Mir fiel auch gar nicht auf, dass nur wenige Leute da waren. Als ich zuvor hörte, dass wir laut den neusten Bestimmungen nur noch vor 15 Leuten spielen durften, war ich ziemlich enttäuscht. Doch jetzt ich bin einfach dankbar, dass wir überhaupt auftreten konnten. Allerdings wäre es beim Schlussapplaus schön gewesen, die Reaktionen in den Gesichtern zu sehen. Ohne Maske. 

 

Wie stehst du zu Mati, der von dir gespielten Figur? 

Ich habe ihn echt gerne. Zwar kann ich ihn in gewissen Punkten nicht verstehen, würde persönlich anders handeln, aber seine Emotionen kenne ich. Die Themen psychische Gesundheit, Pubertät, Gruppenzwang oder Drogen beschäftigen auch mich. Allerdings bin ich auch froh, wenn ich nach dem Stück gewisse Dinge und Probleme von Mati auf der Bühne lassen kann. 

 

Wirst du dem jungen theater treu bleiben?

Auf jeden Fall, ich liebe es! Der Austausch mit anderen Jugendlichen, die intensiven Gespräche mit Uwe – das ist für mich fast wie Therapie. Nach dem Kurs war ich immer ganz ruhig und glücklich. Ich habe mich in vielerlei Hinsicht selbst besser kennengelernt. Man weiss nie, was einen erwartet und man verlässt auf jeden Fall immer wieder seine Komfort Zone. Das JTB rockt!

 

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Lou Haltinner spielt in born to shine

 

Gemeinsam mit 13 anderen Jugendlichen ist die 21-jährige Lou Haltinner aktuell im Stück «born to shine» zu sehen. Sie wohnt in einer WG in Basel und hat eben mit dem Schauspielstudium in Bern begonnen.

 

Wie und wann kamst du zum jungen theater basel? 

Vor etwa fünf Jahren nahm mich eine Freundin mit zu einem Kurs. Ich wollte damals gerne Theater machen, wusste aber nicht genau wo und wie. Ich erinnere mich, dass ich sehr neugierig war und mich riesig freute, das junge theater gefunden zu haben.

 

«born to shine» ist bereits die fünfte Produktion, in der du zu sehen bist – wurde dir das Ganze nie zuviel?

Nein, es ist immer wieder spannend ein neues Projekt zu beginnen, weil man nicht weiss, wohin es sich entwickeln wird. Mit jedem Stück habe ich neue Dinge über Arbeitsweisen, Themen, Menschen und vor allem auch über mich selbst gelernt. Was ist mir wichtig? Was könnte ein Weg sein, den ich ausprobieren möchte? Diese Fragen werden vielleicht nicht direkt beantwortet, aber das jtb gibt den vielen Gedanken, die einem im Kopf rumschwirren, einen Raum. Und ja, natürlich sind die Proben, gerade beim Tanztheater, oft anstrengend. Aber ich mag das: Nach Hause zu kommen und zu spüren, dass mein Körper den ganzen Tag gearbeitet hat. 

 

Wie ist für dich die Zusammenarbeit mit Regisseur, Choreograph und den anderen Schauspielerinnen und Schauspielern?

Gerade die Zusammenarbeit mit den vielen verschiedenen Menschen finde ich unglaublich spannend und schön! Ich glaube, diese freie, offene Arbeitsweise macht das junge theater so einzigartig.

 

Was gibt dir das Theaterspielen ganz allgemein?

Einen Raum, mich offen und unzensiert auszudrücken, mich zu hinterfragen, wichtigen und aktuellen Meinungen einen Raum und eine Stimme zu geben und diese Stimme den Menschen und mir selbst näher zu bringen. Und vieles, vieles mehr ...

 

Deshalb hast du dich vermutlich auch entschieden, die Ausbildung zur Schauspielerin zu machen? 

Das war, ehrlich gesagt, keine bewusste Entscheidung. Irgendwie hat es sich für mich richtig angefühlt es zu versuchen – obwohl der ganze Bewerbungsprozess und die Vorsprechen sehr hart und nicht nur spassig waren. Dass ich nun in Bern Schauspiel studiere, heisst für mich aber nicht, dass mein Weg in Stein gemeisselt ist und ich nicht doch irgendwann was ganz anderes ausprobieren möchte. 

 

Wirst du dem jungen theater weiterhin treu bleiben? 

Es wird ganz bestimmt immer ein grosser Teil von mir sein und sich ein bisschen wie ein zweites Zuhause anfühlen. Ich kann kaum in Worte fassen, wie dankbar ich für all die Erlebnisse und Erfahrungen am jungen theater bin.

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