Die Leiterin des Institut Kunst an der FHNW HGK, Chus Martínez, erzählt uns im Interview, wo sie in Basel Kraft und Inspiration sammelt und wieso sie während Corona viele neue Freundschaften knüpfen durfte.

«The Sunrise Sings»: ein schöner Titel! Wie kam’s zum Motto für die aktuelle Ausstellung in Gstaad?

Die Inspirationsquelle für diese Ausstellung liegt ganz klar in der Natur. Zudem zeigten die jungen Kunstschaffenden ein unglaublich grosses Interesse daran, neue Beziehungen zu den unterschiedlichsten Lebensformen aufzubauen.

Ihre Werke stellen auf subtile, sorgfältige und künstlerische Weise dar, inwiefern die Natur die einzige Grösse ist, welche die Macht hat, unsere Existenz zu sichern.

Es ging aber auch darum, natürliche Materialien zu entdecken und zu erforschen; Materialien, die allesamt etwas über unseren Planeten zu erzählen wissen.

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Was ist Ihr persönliches Highlight der Ausstellung?

Phu, das ist unmöglich zu sagen! Ich bewundere alle sechs Künstler auf unterschiedliche Weise. Da wären die Arbeit «Curcuma Leaves»; Reliefe voller energiegeladener Geschichten; eine Videoarbeit, die das Unnatürliche der digitalen Welt beleuchtet; ein Wandgemälde, das Blumen und die Sonne in den Raum zaubert und eine Reihe von Holzskulpturen, die uns daran erinnern, dass sie alle mal Bäume waren … Ich liebe wirklich alle Werke!

Noch nie schien es wichtiger, die Natur zu schützen als in der aktuellen Zeit. Welche Rolle spielt die Kunst, wenn es um den Schutz unserer Umwelt geht?

Die Kunst ist seit Jahrhunderten dafür verantwortlich, nicht nur Materie, sondern auch das sinnliche Leben zu beleuchten. Es ist drum nicht abwegig, dass Kunst den Grundstein für eine neue, bessere Zukunft unserer Beziehung zum Leben legen könnte.

Künstler, die mit Holz arbeiten, wissen, dass Bäume sprechen; auch ist es unter Kunstschaffenden kein Geheimnis, dass Steine ein Gedächtnis haben. Können Sie sich also einen besseren Botschafter für die natürliche Welt vorstellen als den Künstler? Der gegenseitige Respekt zwischen Mensch und Natur bedeutet jedoch noch lange nicht, dass sich der Mensch auch um die Natur kümmert.

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Was glauben Sie, muss passieren, dass der Mensch endlich merkt, dass die Natur im Endeffekt stärker ist als wir?

Ich denke, unsere Gesellschaft wird vermehrt bemüht sein, anders zu handeln, zu denken und zu fühlen als bisher. Ich habe drum grosse Hoffnung, dass die nächsten Generationen eine andere Attitüde an den Tag legen werden – die Dinge ändern sich schliesslich nur, wenn auch wir Menschen uns ändern. Umso fundamentaler ist es, darauf zu beharren, dass sich was ändert; dass wir uns ändern!

Die Natur ist auch eine wunderbare Inspirationsquelle für Künstler. Wo befindet sich Ihr persönlicher Wohlfühlort; wo tanken Sie Ihre Batterien wieder auf und sammeln neue Ideen?

In meinem kleinen Heimatdorf auf Mallorca, Banyalbufar! Ich liebe es, mich mit den Dorfältesten zu unterhalten. Auch diesen Sommer habe ich viele Nachmittage damit verbracht, gemeinsam mit den alten Menschen zu schwimmen – die Interaktion zwischen verschiedenen Generationen gibt mir enorm viel.

Wenn man dann nach der gemeinsamen Zeit auf einem Spaziergang noch in eine frische Tomate beissen darf, ist das für mich der Himmel auf Erden!

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Und welches ist Ihr Lieblingsort in Basel?

Ich bin ein grosser Fan von der Bibliothek in der Musikakademie. Überhaupt ist die Akademie ein grossartiger Ort – so offen, so divers; pures Zen!

Ein Vorteil von Corona: Endlich lernt man seine eigene Heimat besser kennen. Was für eine Rolle spielt die Schweiz in der Ausstellung?

Da die meisten der Involvierten wie ich ursprünglich aus dem Ausland stammen, wurden die Schweiz und unsere Freunde hier nicht nur zu unseren Gastgebern, sondern auch zu unserem Zuhause. Weil während des Lockdowns viele von uns nicht nach Hause reisen konnten, blieb uns also nichts anderes übrig, als uns auf die wundervollen Menschen in unserem Umfeld zu verlassen. Wir haben uns nicht nur gegenseitig besser kennengelernt, sondern auch die Schweizer Traditionen und Geschichten mehr und mehr verstanden.

Noch nie habe ich das Schweizer Volk hilfsbereiter und zuverlässiger erlebt! In dieser schwierigen Zeit durften neue, starke Freundschaften entstehen, wofür ich extrem dankbar bin.

«The Sunrise Sings» ist die erste Sommerausstellung, welche ins Programm der Gstaadener Galerie Tarmak 22 aufgenommen wurde. Das Ziel ist es, so auch in der Sommersaison ein vielseitiges kulturelles Angebot ins Saanenland zu bringen und gleichzeitig junge Kunstschaffende mit einem Bezug zur Schweiz zu unterstützen. Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit?

Das grosszügige Angebot, für Tarmak 22 eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Schliesslich waren wir alle besorgt um die nahe liegende Zukunft; nie schien es wichtiger, neue Bindungen und Kontakte knüpfen zu können.

Gstaad ist jetzt zwar nicht hyperländlich, doch ist das Leben hier um Einiges naturbezogener als in Basel. Eine spannende Gelegenheit also, herauszufinden, wonach das Publikum in diesem neuen Kontext sucht.

Wir hoffen aber, nicht nur lokale Besucherinnen anzulocken, sondern wäre es auch schön, wenn sich der ein oder andere Basler nach Gstaad verirren würde. (lacht)

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Ausstellung «The Sunrise Sings» in Gstaad

Für alle, die grad in der Region rund um Gstaad sind: Die Ausstellung ist im August jeweils von Montag bis Sonntag, von 10 bis 13 und von 15 bis 18 Uhr zugänglich. Im September kommst du dann von Mittwoch bis Samstag in den Genuss (die Öffnungszeiten sind die gleichen wie im August).

«The Sunrise Sings» zeigt Werke der fünf Kunstschaffenden, Charlotte Herzig, Kaspar Ludwig & Ambra Viviani, Gil Pellaton, Claudia Comte und Katrin Niedermeier.

 

Wo: Tarmak22, Oeystrasse 29, Gstaad

tarmak22.com

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