Die Fondation Beyeler feiert den 80. Geburtstag des deutschen Künstlers Georg Baselitz mit einer umfangreichen Retrospektive.

Sicherlich ist die eine oder andere bereits einem Gemälde oder Skulptur von Baselitz aka Hans-Georg Kern begegnet, dennoch ist der herausragende Künstler unter vielen Kunstinteressierten bisher nicht als Shooting Star bekannt. Die vielseitige Sonderausstellung in Riehen wird aber bestimmt dazu beitragen, Baselitz etwas mehr auf den «Schirm» zu rücken – was ihm auch absolut gebührt.

Die Schau wirft einen spannenden Blick auf das Schaffen der letzten sechs Jahrzehnte, angefangen bei der Malerei bis hin zur Skulptur des Künstlers. Schweift man durch die Räumlichkeiten des Architekten Renzo Pianos so wird einem rasch klar, Baselitz ist auf der stetigen Suche nach neuen Bildfindungsmomenten. Kompromisslos und unnachgiebig erforscht der Künstler immer wieder neue Formen der figurativen Bildsprache, und dies stets mit einem unverkennbaren, dynamischen Duktus. Umso mehr erstaunt es zu erfahren, dass ihm vor über zwanzig Jahren die letzte monografische Ausstellung in der Schweiz gewidmet wurde. Und desto glücklicher bin ich als ich eine noch nie gezeigte Serie von Bildern aus dem letzten Jahr am Ende der chronologisch aufgebauten Ausstellung entdecke.

Georg Baselitz Motive sind alles andere als gesucht oder komplex, und hierfür gebührt ihm sehr viel Mut: nie rücken die Sujets weg vom Figurativen, stets sind sie brachial ausgeführt – und gerade dies zeugt von Einzigartigkeit in der zeitgenössischen Kunst. Die Bildfindung zeugt von einer grundlegenden kunsthistorischen Kenntnis der europäischen wie amerikanischen Kunst und schwankt stets zwischen Neuinterpretation wie genuiner Bildfindung.

Doch das absolut unverwechselbare Moment der Kunst von Baselitz ist sicherlich die Motivumkehr – und hiermit steht das Bild eben wortwörtlich auf dem Kopf. Handelt es sich hierbei lediglich um einen Marketing-Clou? Nein, um alles andere. Hiermit erschafft der Künstler neue Arten von Bildern. Der Betrachter oder das erstaunt vor dem Bilde stehende Individuum wird hierdurch direkt aufgefordert genauer hinzusehen. Denn, habe ich mit einem scheinbar auf dem Kopf stehenden figurativen Bild noch eine Figuration vor mir oder doch eher eine abstrakte Bildfindung?

Glücklicherweise wird die Ausstellung noch einige Wochen gezeigt, sodass man immer wieder neu in die Bildwelt dieses spannenden Künstlers eintauchen kann. Im letzten Raum der Ausstellung angelangt, taucht immerfort ein Begriff in meinem Kopf auf: Kompromisslosigkeit. Die figurativen Bilder zeugen nicht von Poesie oder einer Welt, in der alles schon irgendwie seinen Platz finden wird. Vielmehr liegt der Fokus auf enttäuschten Hoffnungen, auf einem hilflosen Aussenseitertum, das in einem krassen Gegensatz zum Mainstream steht. Wer sich also, und dies scheint mir in der gegenwärtigen Zeit mehr als angebracht, mit Phänomenen des Unschönen, der Tabus, die ausserhalb des gesellschaftlich Akzeptierten liegen, auseinandersetzen möchte, sprich, die Brüchigkeit des menschlichen Daseins anders denken mag, für jenen verspricht die imaginativ figurative Bildwelt Georg Baselitz so einige neuartige Denkmomente.

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