Die Fondation Beyeler repräsentiert mit der derzeitigen Schau über 75 Werken der Ikone Picasso auf 1'600 Quadratmetern das temporäre Picasso Museum.

Die bis dato teuerste und mit vier Jahren Vorbereitungsarbeiten umfangreichste Sonderausstellung in Riehen setzt ihren Schwerpunkt auf das künstlerische Schaffen von 1901 bis 1906. Die Gemälde und Skulpturen aus der sogenannten Blauen und Rosa Periode von Pablo Ruìz Picasso zählen zu den Meilensteinen, die Picasso zu dem werden lassen sollten, was sich in unser aller Kulturgedächtnis eingeprägt hat.

Der Auftakt der Ausstellung bildet ein viel aussagendes Zitat des Künstlers: «Ich wollte Maler sein und bin Picasso geworden.» Die von Mitgefühl und Zärtlichkeit geprägten Arbeiten lassen uns nebst der herausragenden künstlerischen Technik und der Sujets also auch beobachten, wie sich ein «Mythos Picasso» etablieren konnte.

Anhand unterschiedlicher Thematiken wie Liebe, Tod, Sexualität, Leben und Schicksal, welche Picasso insbesondere mit der Darstellung von Randständigen, Gauklern, Akrobaten sowie Harlekinen befragt, wird eine fortlaufende Dekonstruktion der Figur nachvollziehbar, die in einer genuinen, von einer der Accademia geschuldeten Bildsprache losgelösten, kubistischen Bildsprache münden sollte.

Nach dem tragischen Selbstmord seines nahestehenden Freundes Carles Casagemas begann Picasso die Farbe Blau als dominierendes Ausdrucksmittel in seinen Werken zu verwenden, dies aus einer schlichtweg inneren Notwendigkeit, unabhängig von Fragestellungen in Zusammenhang mit Licht und Farbe. Die bis 1904 von der Farbe Blau bestimmten Werke verhandeln vor allem Figuren, die von Existenznöten gezeichnet sind: Bettler, Behinderte, Prostituierte und Gefangene. Diese symbolisch und melancholisch aufgeladene Bildwelt berührt uns mit ihren existentiellen Fragestellungen an das Leben. Die melancholische Grundstimmung bleibt auch in Picassos Arbeiten ab 1904 bestehen; die Farbpalette wird jedoch durch Rosa- und Ockertönen abgelöst. Sein Leben nimmt in diesem Jahr mit der definitiven Niederlassung in Paris und mit dem Beginn einer langjährigen Partnerschaft mit Fernande Olivier eine entscheidende Wende. Nunmehr dienen dem Künstler antibürgerliche Figuren der Zirkus- und Kunstwelt als Vorlage für seine Motive. Die Figurenkonzeption in der Rosa Periode ist besonders klassisches und archaischen Elementen geschuldet. Beide Perioden verbindet sicherlich das Sujet randständiger Figuren sowie existentielle Fragestellungen, die allesamt durch einen äusserst mitfühlenden und zärtlichen Duktus zu ihrer Darstellung gelangen. Besonders bewundernswert ist in dieser Vielfältigen Bildwelt die Dialektik zwischen Motiv und Darstellungsweise: Randständige Figuren und Thematiken werden in zarten Rosa und Blau Tönen verhandelt. Im übertragenen Sinn können wir dies als einen sozial politischen Imperativ nach Empathie lesen. Und dies macht den Themenhorizont dieser Sonderausstellung aktueller denn je. Bewegen wir uns derzeit doch in einer Welt, die von Populismen und Fanatismen gekennzeichnet ist, deren fast nicht überschaubaren Online Aktivitäten doch vor allem Gesten der «Schönheit und des Reichtums» zu widerspiegeln trachten. In diesen immer stärker zu Tage tretenden Kluft zwischen «arm» und «reich» oder «in» und «out» geht oftmals der empathische Moment gegenüber sogenannten Randständigen verloren. Doch Picassos existentielle Befragung reicht weiter, und dies lässt sich am Moment der durch Zärtlichkeit geprägten Darstellungsweise skizzieren. Die Sonderausstellung in der Fondation Beyeler ist in diesem Sinne eine ganz persönliche Einladung Pablo Picassos an uns alle, uns auf eine differenzierte Wahrnehmungsweise einzulassen. «Out oft he box», nicht «schubladisierend» oder eben die Anmut einer jeden «Figur» bar jeglicher kultureller Vorbilder zu entdecken, der Zerbrechlichkeit der menschlichen Psyche einen Augenblick der Aufmerksamkeit zu schenken – hierzu werden wir zärtlich eingeladen.

Die Ausstellung wir durch zahlreiche weitere Aspekte abgerundet: ein multimedialer Raum lässt uns die Zeit um die Jahrhundertwende haptisch erleben, junge Designerinnen und Designer der FHNW haben spezielle Produkte für den Beyeler Shop entwickelt, im Café Parisien im Souterrain des Museums können Besucherinnen und Besucher in die Pariser Welt des frühen 20. Jahrhunderts eintauchen und für die Kleinen wurde ein ausstellungsbegleitendes Kinderheft zur Ausstellung entwickelt. Äusserst vielfältig gestaltet sich das Angebot, ergänzend zu der unerschöpflichen Bildwelt der Blauen und Rosa Periode, die uns so einiges zu denken gibt.

#GanzBasel_2019_1902_PicassoBeyeler_20_Web_(c)Nadja-Borer.jpg

#GanzBasel_2019_1902_PicassoBeyeler_07_Web_(c)Nadja-Borer.jpg