Wer sagt denn, dass Spitzengastronomie steif daherkommen muss? Das «roots» im St. Johann hat sich innert weniger Jahre zu einer Adresse mit grosser Strahlkraft entwickelt. Das Konzept, eine hochstehende Küche unkompliziert zu vermitteln, scheint aufzugehen.

Wenn es in der Basler Gastroszene so etwas wie einen Senkrechtstarter gibt, dann ist es das «roots» im St. Johann, gleich bei der Ueli-Fähre gelegen. Eröffnet wurde das «roots» vor fünf Jahren. Und zwar mit der Zusatzbezeichnung: «Casual Fine Dine», wie Inhaber Dragan Rapic erklärt: «Wir wollten unsere Gäste kulinarisch auf hohem Niveau verwöhnen und dabei möglichst unkompliziert rüberkommen. Daher rührte auch die Bezeichnung ‹Casual›.» So zumindest die Überlegung. Aber bekanntlicherweise entwickeln sich die Dinge oft anders als man denkt, oder, im Falle des «roots», zu hoffen wagt, denn das «Casual» im Namen ist bereits wieder Geschichte, auch wenn das Lokal nach wie vor eine gemütliche Mischung von trendig urban und Wohnzimmer vermittelt. «Irgendwie passt das ‹Casual› im Namen nicht mehr zu 17 Gault&Millau-Punkten und einem Michelin-Stern», sagt Rapic.

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Dieser Erfolg ist nicht zuletzt dem Küchenchef Pascal Steffen zu verdanken. Er sorgte mit seiner Küche dafür, dass das «roots» von Gault&Millau Schweiz 2018 nicht nur zur Entdeckung des Jahres gekürt, sondern auch gleich zum Einstieg mit 16 Punkten bedacht wurde. 

«Wir wollen unser Gäste auf der ganzen Linie verwöhnen. Sie sollen sich nicht damit auseinandersetzen müssen, was sie essen wollen, sondern können sich unkompliziert auf unsere Küche einlassen.»

– Dragan Rapic

Dass Steffen in der Küche das Zepter übernommen hat, ist so etwas wie der Liebe auf den ersten Blick geschuldet. Nach verschiedenen Stationen in Top-Lokalen, etwa bei Nenad Mlinarevic im Park Hotel Vitznau oder auch bei Andreas Caminada im Schlosshotel Schauenstein, sah er Bilder vom neu eröffneten «roots» und wusste: «Das passt zu mir, hier kann ich meine Ideen verwirklichen.» Und das tut der 36-jährige heute kompromisslos. Er setzt konsequent auf Saisonalität und, wo immer möglich, auf Regionalität. Und – auch wenn er von Gault&Millau schon als Gemüsepapst bezeichnet wurde – er setzt auch auf «nose to tail», wie er erläutert: «Es ist für mich eine Sache des Respekts, alles von einem Tier zu verwenden.» 

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Mit einer Schlachtplatte hat das allerdings herzhaft wenig zu tun. Dafür findet Steffen beispielsweise bei der Taubenbrust durchaus auch Verwendung für die Innereien des Tieres in Form einer Sauce. Entsprechend sind es auch die eher unkonventionellen Stücke, für die er persönlich schwärmt: «Nichts gegen ein Filet, aber ich finde ja auch beim Rind die Zunge das spannendste Stück.» Eine Philosophie, die der Küchenchef konsequent umsetzt und seine Gäste daher auch schon einmal mit Zunge verwöhnt. Und zwar zur Überraschung aller sogar vom Kabeljau.

Nur logisch, dass das Ansinnen der kompletten Verwertung auch beim Gemüse nicht halt macht. So sind beispielsweise Rüstabfälle vom Spargel für Steffen eine willkommene Gelegenheit zur Weiterverwertung. Allerdings nicht etwa für eine Suppe, das sei «langweilig.» Lieber vergärt er die Schalen zu einer Art Wein, der dann wiederum Basis für spannende Saucen bildet.

Der Ehrgeiz, konsequent die eigenen Wege zu gehen, zeigt sich auch auf der Speisekarte des «roots». Denn diese gibt es nicht. «Die Leute wählen, wie viele Gänge sie mögen und nennen uns ob sie von Unverträglichkeiten betroffen sind, für den Rest sorgen wir», sagt Dragan Rapic. Und: «Wir wollen unser Gäste auf der ganzen Linie verwöhnen. Sie sollen sich nicht damit auseinandersetzen müssen, was sie essen wollen, sondern können sich unkompliziert auf unsere Küche einlassen.» Dieses Konzept, Spitzengastronomie mit einer unkomplizierten und gemütlichen Wohlfühlatmosphäre zu vereinen, scheint aufzugehen: Das «roots» hat mittlerweile eine Strahlkraft bis weit über die Landesgrenzen hinaus erreicht. Und dabei haben wir ja noch kein Wort über die über 50 Seiten starke Weinkarte verloren ...   

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Text Stefan Fehlmann

Bilder Roots

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