«Ich erinnere mich noch genau, als ich das erste Mal hier hoch gelaufen bin. Auf einmal erschien ganz unverhofft dieser idyllische Platz vor mir – ich war total überrascht! Diese Ruhe, diese Aussicht über die Dächer der Stadt, diese Bäume, die genau die richtige Menge an Schatten spenden – dieser Platz hat es mir sofort angetan!» Es ist der Leonhardskirchplatz, den die iranische Filmemacherin Aida Alimadadi für unser Interview ausgesucht hat und der für sie eine unwiderstehliche Ruhe ausstrahlt. Wer diesen Ort selbst noch nie aufgesucht hat, dem können wir nur raten, es Aida gleichzutun.
«Auf einmal erschien ganz unverhofft dieser idyllische Platz vor mir – ich war total überrascht!»
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Leichtlebiger Ausgleich zu anspruchsvollem Film
Aida Alimadadi bewohnt zurzeit die Basler Filmemacher-Residenz im Gerbergässlein und nutzt diesen kreativen Ort, um in Ruhe an ihrem Spielfilmdebüt zu arbeiten. Aktuell überarbeitet sie ihr Drehbuch. «Ich ziehe es vor, draussen in der Stadt zu lesen, aber drinnen im Filmhaus zu schreiben. Es ist eine mühsame, aber zugleich schöne Arbeit, Schritt für Schritt zum Ziel zu gelangen», erzählt Aida und strahlt dabei die ganze Zeit über. Sie hat auch guten Grund dazu, denn für diesen Prozess hat sie sich Basel ausgesucht – und das kreative Umfeld des @Filmhaus Basel des Vereins für die Förderung der Begeisterung am bewegten Bild (VFBbB). Hier dreht sich jeden Tag alles nur um Filme, wie beispielsweise die Organisation des Gässli Film Festivals vom 23. bis 29. August. «Darauf freue ich mich schon seit dem ersten Tag. Ich bin schon total aufgeregt, denn sie zeigen meinen Kurzfilm «A Boy Has Disappeared» – wie der wohl ankommt?» Der Filmtitel macht auf alle Fälle schon mal neugierig!
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Dies trifft umso mehr auf jenen ihres ersten Spielfilms zu. «Thank you, Anna» soll ihr Spielfilmdebüt heissen. Die Thematik? Häusliche Gewalt. Und nein, sie habe dies glücklicherweise nicht am eigenen Leib erfahren. «Aber ich kenne viele Leute, die davon betroffen sind. In meiner Kultur, im Iran, ist Gewalt an Frauen leider nichts Ungewöhnliches. Es wird dabei häufig als Zeichen der Liebe missinterpretiert. Dieser gewalttätigen Struktur zu entkommen ist nicht einfach, denn es geht meistens um Menschen, die man liebt. Die Selbstbefreiung aus dieser Lebenslage erfordert Mut – und genau darum geht's in meinem Film.» Aidas erster Spielfilm soll also weit mehr als ein psychologisches Drama werden – der Film ist vielmehr politischer Natur.
«Aufs Gässli Film Festival freue ich mich schon seit dem ersten Tag. Ich bin schon total aufgeregt, denn sie zeigen meinen Kurzfilm «A Boy Has Disappeared» – wie der wohl ankommt?»
«Mein Spielfilmdebüt als Regisseurin, «Thank you, Anna», handelt von einem Paar, welches nachts bei reichen Leuten einbricht. Dabei finden sie eine bewusstlose, verletzte Frau vor. Die Hauptperson, Anna, möchte ihr helfen und herausfinden, wer ihr Schmerzen zugefügt hat. Nach und nach wird klar, dass es Schmerzen sind, die Anna in ihrer Vergangenheit selbst erfahren musste – und die aufgefundene bewusstlose Frau eine schiere Fantasie aus ihrem Kopf ist. Vergangenheitsbewältigung und Selbstbefreiung aus einer solchen Lebenslage sind also die zentralen Themen meines Films», erzählt Aida auf eine sehr nüchterne und sachliche Art und Weise, während ihr die Sonne an diesem heissen Sommertag fröhlich ins Gesicht scheint und einen beinahe surrealen Kontrast zur Ernsthaftigkeit der Filmthematik darstellt. Aber genau deswegen ist Aida ja hier – um Basel als lebensfrohen und beruhigenden Rückzugsort nutzen und konzentriert an ihrem Drehbuch arbeiten zu können. Und um ganz nebenbei eine schöne und entspannte Zeit zu geniessen.
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Vom Gefühl, willkommen zu sein
Via Heuberg, Spalenberg und Nadelberg nähern wir uns dem Rhein, an welchem Aida gerne in ihrem Drehbuch liest, den grossen Schiffen nachschaut und über den sorglosen Lebensstil der Baslerinnen und Basler nachdenkt. Ein sorgloser Lebensstil, der sich für sie in ganz kleinen – für uns selbstverständlichen – Dingen zeigt. «Einer meiner ersten Eindrücke von Basel war die Szenerie am Rhein. Ich bin mir nicht gewohnt, Menschen überall auf dem Boden sitzen zu sehen. Ich dachte, ok – entweder sind die Leute hier einfach extrem entspannt drauf oder es ist tatsächlich so sauber! Und noch etwas anderes empfand ich als äusserst lebenswert: Als ich mich zu den Menschen ans Rheinbord hinzusetzte, lauschte ich einfach eine Zeit lang den Stimmen um mich herum. Ich konnte so viele verschiedene Sprachen hören. Das war sehr inspirierend, sich inmitten so vieler aufregender Kulturen wiederzufinden, die wie ich ihren Platz in dieser Gesellschaft suchen – und anscheinend, so scheint es, auch gefunden haben.»
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Dieses Gefühl, willkommen zu sein, schätze Aida auch an der @Cargobar – dem Ziel unseres Stadtspaziergangs. «Hier fühle ich mich, als ob ich bei Freunden zuhause wäre.» Ein Satz, wie ihn nur eine Filmemacherin und Drehbuchautorin formulieren kann. Die Cargobar wird's freuen. Wir bestellen uns ein Bier – ein lokales versteht sich – und Aida schwärmt von all jenen Orten in Basel, die sie bereits besucht hat («Die vielen internationalen Küchen in der @Markthalle Basel sind fantastisch – ich habe Äthiopisches Essen gegessen und es hat sooo gut geschmeckt!») und von jenen Orten, die sie in den verbleibenden zwei Monaten ihres Aufenthalts unbedingt noch besuchen möchte. Und das sind so einige. Mindestens ein Abend im @Allianz Cinema auf dem Münsterplatz soll es sein. Mindestens ein Konzert auf der Flossbühne mit dem Rhein als Kulisse und mindestens ein Besuch auf dem @Viertel _Dach mit Poetry-Slam, Comedy oder einem intimen Konzert. Ausserdem freue sie sich darauf, einen Spaziergang in einem der nahegelegenen Wälder zu unternehmen, einen aromatischen Filterkaffee im @Café Frühling zu trinken und einen Schwumm im Rhein zu nehmen.
«Hier fühle ich mich, als ob ich bei Freunden zuhause wäre.»
Unverhofft schön, unwiderstehlich beruhigend und unschlagbar vielfältig – ja, Basel hat so einiges zu bieten und hat es der iranischen Filmemacherin Aida Alimadadi angetan. Der perfekte leichtlebige Ausgleich zur Arbeit an ihrem anspruchsvollen Spielfilmdebüt.
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Basel inspiriert
In der Serie «Basel inspiriert» werden junge nationale und internationale Filmemacher portraitiert, die jeweils für drei Monate die Filmemacher-Residenz im Gerbergässlein bewohnen. Der Verein für die Förderung der Begeisterung am bewegten Bild (VFBbB), der auch das jährlich stattfindende Gässli Film Festival organisiert, stellt seit 2019 die Räumlichkeiten des Filmhaus Basel jungen Filmemachern zur Verfügung und gibt ihnen die Möglichkeit, Basel als Inspiration und Energiequelle für zukünftige Projekte zu nutzen. Der VFBbB bietet den Künstlern Unterstützung und Hilfestellungen im Arbeitsprozess und stellt sein grosses Netzwerk in der regionalen, nationalen und internationalen Filmszene zur Verfügung. Partnerschaften mit Film Festivals, Sponsoren und Fördervereinen unterstützen und ermöglichen den Aufenthalt der jungen Filmemacher in Basel.