Ausleihen ist das neue Haben. Es macht nur mehr Spass. Daher gibt es beim Leihlager gefühlt fast nichts, was man nicht leihen kann. Sogar sehr, wirklich sehr unerwartete Dinge.

Wonach ist uns heute? Nach einem Cargobike, einer Heckenschere oder einem Picknickkorb? Oder haben wir Lust auf Waffeln oder Eis? Zu lapidar? Wie wäre es dann mit der Eintauchoberfräse oder der Kapp- und Gehrungssäge? Mit den Bedürfnissen ist das manchmal so eine Sache: Man hat sie oder man hat sie nicht. Doch hat man sie nicht, kann man sie erzeugen. Nennt sich Marketing. Dann reicht manchmal das pure Angebot, um plötzlich ein Bedürfnis zu wecken. Nun leben wir jedoch in einer Zeit, in der Konsum kritisch hinterfragt wird, ja werden muss, man ist schliesslich der Nachhaltigkeit verpflichtet. Verzichten muss man dennoch nicht, denn es gibt Konzepte wie das Leihlager, wo vieles einfach ausgeliehen werden kann. Denn Hand aufs Herz: wer braucht eine eigene Heckenschere für die beiden Male im Jahr, wo sie benötigt wird. Einen Laminatschneider, wenn man einmal im Leben Laminat verlegt. Oder eine Eismaschine für die Geburtstagsfeier. Oder eben die Eintauchoberfräse für… ja für was eigentlich? Fachkundige wissen das natürlich: um in ein Werkstück einzutauchen.

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Für jeden das richtige Leihmodell

Eintauchen wollen wir auch, doch weniger in ein einzelnes Holzstück, als in die ganze Welt des Leihlagers. Das finden wir in der Feldbergstrasse 76 in Kleinbasel, wo einem das rot-gelbe Logo markant ins Auge springt – erinnert es doch an einen Baumarkt, aber auch an einen deutschen Paketdienst. Im Lager treffen wir auf Michael, Gawin und Sabeth, die zum Team des Leihlagers gehören. Daneben gibt es zahlreiche Freiwillige, die sich für das Konzept einsetzen. Das Prinzip ist einfach: Man zahlt entweder eine Einzelausleihgebühr, die je nach Objekt unterschiedlich ausfällt: z.B. für die Eintauchoberfräse 50 CHF / Woche, für eine Zuckerwattenmaschine 22 CHF / Woche. Oder aber man schliesst ein Jahresabo von 75 CHF ab und kann dafür wöchentlich 3 Objekte gleichzeitig kostenlos ausleihen. «Das kommt meistens deutlich günstiger», so Michael. «Zudem leiht man dann eher nochmal was aus, anstatt es zu kaufen.» Für finanziell Schwache ist die Ausleihe umsonst. Doch spricht man nicht eher von Miete, wenn es was kostet? «Vermietung hat eine profitorientierte Tonalität», erklärt uns Michael, der für die Kommunikation zuständig ist. «Doch wir sind nicht profitorientiert, weshalb wir Wert darauf legen, «leihen» zu sagen.»

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Nervensäge? Teppichreiniger!

Das Leihlager ist ein typisches Coronakind. Entstanden im Februar 2020 stiess das Konzept einer «Bibliothek der Dinge» auf grosses Interesse – insbesondere während des Lockdowns. Die Grundidee stammt ursprünglich aus Toronto, hält aber schon seit einigen Jahren Einzug in Europa und in die Schweiz. Mit grossem Erfolg. Innerhalb der letzten zwei Jahren ist das Basler Leihlager exponentiell gewachsen und musste den angrenzenden Lagerraum dazumieten «Ein Ende der Expansion ist noch lange nicht in Sicht, es gibt so viel, was wir noch gerne anbieten würden und von einigen Objekten bräuchten wir eine grössere Anzahl», erklärt Sabeth.» Zum Beispiel grosse Glühweinkocher oder Raclettegeräte, die besonders in der kalten Jahreszeit sehr gefragt sind. «Davon haben wir im Winter immer zu wenige». Für fehlende Objekte haben sie eine Wunschliste. Ganz oben auf der Liste: ein Teppichreiniger. «Der wird ziemlich häufig nachgefragt», so Michael. «Ist aber schon in der Beschaffung.»

Was hygienische Bedenken hervorrufen könnte, nehmen wir nicht ins Sortiment. Gawin

Für die Akquise neuer Objekte ist ein anderer Kollege, Noël, verantwortlich. Vieles wird gesponsert, manches günstig erworben. Gibt es etwas, das sie nie anbieten würden? «Fussmassagebäder» kommt prompt von Gawin. «Was hygienische Bedenken hervorrufen könnte, nehmen wir nicht ins Sortiment.» Auch sicherheitsrelevante Utensilien wie Kletterseile, Fallschirme gibt es nicht im Leihlager. «Dafür könnten wir nicht die Verantwortung übernehmen», so Sabeth. Sie ist für die Betreuung der Freiwilligen zuständig und erzählt, dass immer wieder auch nach einer Tätowiermaschine gefragt wird. «Das ist ziemlich heikel, genauso wie der Eispickel, den wir wieder aus dem Sortiment genommen haben.» Daneben scheint es jedoch kaum Grenzen im Angebot zu geben: man stolpert im Katalog sogar über den perfekten Schwiegersohn oder die unheilbringende Nervensäge. Beide sind recht teuer in der Einzelausleihe, aber im Abonnement wären sie ja drin. Und da meistens Kombinationen nachgefragt werden: Wie wäre es mal wieder mit einer Familienfeier? Ausgeliehen werden: ein Glühweinbehälter, ein Raclettegerät, der perfekte Schwiegersohn und eine Eintauchoberfräser. Wieso die Fräse? Das überlassen wir der Fantasie. 

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Text: Dominique Simonnot | Bilder: Janine Wagner