«Mein Job ist es, den Leuten Mut zu machen etwas zu wagen», sagt Andreas Bichweiler, Inhaber von Ramstein Optik. Seinem eigenen Mut ist es zu verdanken, dass sein Geschäft in der Innenstadt nicht nur für perfekte Sehhilfen bekannt ist, sondern überdies für verrückte Kunstprojekte und grenzenlose Lebensfreude.

Es gibt Tage, da hängt der Nebel knüppeldick. Über der Stadt. Über dem Gemüt. Und dann trifft man einen Menschen, dessen Warmherzigkeit die Sonne aufgehen lässt. So geschehen mit Andreas Bichweiler. Ohne ihm je zuvor begegnet zu sein, hätte ich mich innert Kürze bereit erklärt, mit ihm über die Weiten des Ozeans zu segeln. Nach Südafrika zum Beispiel. Aber von Anfang an.

«Also, wie wär’s, ich meine, könnten wir …», der Chef von Ramstein Optik druckst ein wenig herum. «Wollen wir uns du sagen? Ich bin der Andi!» Was bin ich froh! Per du ist so ein Gespräch sehr viel entspannter. «Trägst du keine Brille?», will er wissen. «Ah, doch, Kontaktlinsen, jetzt seh ich’s!». Aus Gründen habe ich mich an diesem Morgen bewusst gegen meine Brille entschieden – ich weiss, sie passt nicht mehr optimal und ich weiss, der Meister hätte dies sofort bemerkt. Er scannt mein Gesicht, respektive das, was oberhalb der Maske davon übrig bleibt und ich vermute, dass er gedanklich gerade die für mich perfekte Brille aus dem rund 3000 Modelle umfassenden Ramstein-Sortiment aussortiert. «Gute Nase, schmales Gesicht – ich hätte da Ideen…!» sprudelt es aus ihm heraus. Am liebsten würde er sofort mit der Beratung beginnen. Aber Stopp; first things first. 

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«Hier kann ich neben der Optik die verrücktesten Sachen auf die Beine stellen, mich richtig austoben!»

Zuerst will ich wissen, was es auf sich hat mit diesem stadtbekannten Brillengeschäft, das den Leuten immer wieder durch spektakuläre Kunstinterventionen, Plakatkampagnen und Schaufenstergestaltungen ins Auge sticht. Natürlich; die Ramstein-Schaufenster haben Tradition. Zwischen 1948 und 1952 gestaltete Jean Tinguely die Auslage des 1899 gegründeten Optik-Fachgeschäfts – da war Andreas Bichweiler noch nicht einmal auf der Welt. Kennengelernt hat er Ramstein als Bub, als er hier wegen seiner durch den Sport ständig demolierten Brille seine ersten Kontaktlinsen verpasst bekam. Da sass er dann und wusste: Das will ich auch machen! «Schliesslich habe ich bei Ramstein die Lehre absolviert und mit 28 das Geschäft übernommen», berichtet er mit sanfter Stimme.

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Über dreissig Jahre ist dies nun her. Bis heute erzählt Andreas Bichweiler glühend und mit kindlicher Freude von seinem Geschäft. «Hier kann ich neben der Optik die verrücktesten Sachen auf die Beine stellen, mich richtig austoben!» Neben seinem Beruf und dem Laden liebt er vor allem die Kunst, die Stadt und ihre Menschen. Aufmerksam und wohlwollend verfolgt er das hiesige Geschehen, von wem man spricht und von wem leider viel zu wenig. Wer sein Interesse weckt, den ruft er kurzerhand an. Zum Beispiel die Künstlerin Renée Levi, mit der er die Stadt während der Art 2019 mit Original-Kunst verschönerte. «Nach fünf Minuten in ihrem Atelier wusste ich; mit der Frau mache ich eine Riesengeschichte. Sie ist so wild und positiv und von Anfang an war da diese Sympathie ...» Dass die Geschichte dermassen gross endet – sämtliche Bilder wurden damals von den Plakatsäulen geklaut – war natürlich nicht geplant. 2021 schliesslich meldete er sich bei Eddie Hara. Er fand es unbegreiflich, dass man den Künstler in Asien feiert, aber in seiner Heimatstadt kaum kennt. Am Ende konnten die Baslerinnen und Basler zuschauen, wie Eddie an mehreren Live-Paintings diverse Ramstein-Plakate gestaltete. «Endlich kennt man ihn in Basel», freut sich Andreas Bichweiler «das wurde wirklich langsam Zeit!»

 «Wer einmal etwas mit Ramstein gemacht hat, ist für alle Zeiten mit Ramstein verbunden.»

Seine Leidenschaft ist ansteckend. Deshalb verwundert es nicht, dass sich jedes Jahr neue in Basel wirkenden Menschen für die Ramstein-Plakatkampagnen fotografieren lassen. Man kann sich der positiven Energie von Andreas Bichweiler schwer entziehen – wieso sollte man auch? Er ist ein sensibler Netzwerker und ein grosser Vermittler. «Zwischen den Models unserer Kampagnen sind teils intensive Freundschaften entstanden», berichtet er und ist sich sicher: «Wer einmal etwas mit Ramstein gemacht hat, ist für alle Zeiten mit Ramstein verbunden.» Dabei habe man ihn vor dreissig Jahren belächelt, als er mit der Idee kam, eine Plakatkampagne mit brillenlosen Gesichtern zu lancieren. «Sie sagten mir; du gehst Bankrott! Unterdessen haben wir über 130 Leute porträtiert». Das Kriterium ist bis heute: Es braucht keine Fehlsichtigkeit, um auf ein Ramstein-Plakat zu kommen, aber ein gutes Herz.

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Voller Vorfreude berichtet er von den neusten Foto-Modellen der diesjährigen Kampagne: «Nachdem wir vor einigen Jahren Christian Gross auf dem Plakat hatten, habe ich nun die Cheftrainerin der FCB-Frauen angefragt; Danique Stein. Ich habe sie kennengelernt und – wow! Sie lebt Fussball! Als zweite kommt Elena Filipovic, die Direktorin der Kunsthalle. Bei ihr habe ich mir gedacht, die Kunsthalle kennen noch zu wenig Leute, da können wir was bewegen.» Etwas zu bewegen in seiner Stadt, das sei ihm wichtig. Und den Leuten Freude zu bereiten. Seine eigene Lebensfreude ist dermassen gross, da wundert es nicht, dass tout Bâle bei ihm ein und ausgeht. Um klar zu sehen, gut auszusehen und um ein wenig Bichweilersche Sonne zu tanken.

Zum Abschluss unseres Gespräches schenkt mir Andi ein handgeschnitztes Holzherz eines befreundeten Künstlers aus Südafrika, seinem Lieblingsland. Immer wieder zieht es ihn auf Reisen dorthin. «Weil die Menschen da so unfassbar offen und warmherzig sind», erklärt er mir. «Und gell, du kommst für die Brille dann zu mir – ich weiss nämlich schon genau, welche Modelle ich dir zeigen will …» Versprochen. Am liebsten an einem grauen Tag. Kannst du segeln? 

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