Glasfläschchen, Taschenschnallen, Spitzenband, Weihnachtskugeln oder Wandfarbe – bei Offcut wird Restmaterial zu Werkstoff. Wer kreative Projekte umsetzen will, findet in dem Materialmarkt am Dreispitz auf 350 Quadratmetern Inspiration ohne Ende.

Ein «Offcut» ist ein Verschnitt, das Übrigbleibsel eines Materials, ein Rest an Stoff oder Holz, Plastik oder Draht, Glas oder Metall. «Müll» nennen es die einen. «Grundlage für neue Projekte» die anderen. Zu diesen anderen gehört die Crew des Materialmarktes Offcut am Dreispitz in Basel, die sich für kreative Materialverwertung einsetzt. Seit nunmehr zehn Jahren sammelt und verkauft Offcut Gebraucht- und Restmaterialien. Ein Pionierprojekt, das sich mittlerweile auch in St. Gallen, Zürich, Bern und Luzern etabliert hat. 

Die Idee dahinter ist so einfach wie bestechend: Anstatt aussortierte Materialien zu entsorgen, bringt man sie zu Offcut. Angenommen wird alles, was in irgendeiner Form kreativ wiederverwendet werden kann. Teile von Schaufensterpuppen, Bretter, Maschendrahtzaun, Naturschwämme, Weihnachtskugeln oder Taschenschnallen zum Beispiel. Auch Wachsstücke, Druckfarbe, Werkzeuge, Steine, Glasteile und Dichtungsringe werden angenommen. Sprich einfach alles, was noch einmal auf irgendeine Art und Weise Verwendung finden könnte. 

Wir alle haben ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit, uns geht es aber auch ums Material. Wir haben eine irre Freude an all den Formen, Farben und am haptischen Erlebnis. Simone Steinegger

«Der Materialmarkt ist ein Paradies für Menschen, die gerne gestalten, heimwerken oder basteln», weiss Simone Steinegger, Co-Leiterin des Offcut. «Unsere Kundschaft besteht zu einem grossen Teil aus Kreativ- und Kunstschaffenden und aus Lehrpersonen, die nach günstigem Bastelmaterial suchen. Aber auch Kinder und Teenager trifft man bei uns. Und Seniorinnen und Senioren, die nun endlich Zeit haben, ihre Projekte umzusetzen.» Simone selbst bezieht einen Grossteil ihrer Waren bei Offcut, sie ist Bildende Künstlerin. Die meisten Leute im Offcut-Team kommen beruflich aus einer kreativen Ecke.

«Wir alle haben ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit, uns geht es aber auch ums Material. Wir haben eine irre Freude an all den Formen, Farben und am haptischen Erlebnis. Zudem räumen wir gerne auf. Das ist wichtig. Hier muss man immer aufräumen», grinst Simone mit Blick auf die 350 Quadratmeter grosse Halle, in der sich in schier endlosen Regalreihen Kisten und sonstige Behälter türmen. In ihnen Holzspulen, Lederfetzen, Pinselstiele, Kaffeerahmdeckeli, Stoffbänder, Holzreste, Puppenschuhe, Kunststoffrohre oder Buchstabenaufkleber. Fast schon andächtig greift Simone in eine Box voller Puzzleteile und erzählt mir, was sie damit dereinst anstellen möchte. Beschämt denke ich an all die unvollständigen Zämmesetzi der Kinder, die ich schon entsorgt habe. Nachhaltigkeit bedeutet eben nicht nur, weniger zu konsumieren, sondern auch weniger in den Müll zu werfen.  

Wir freuen uns, wenn wir die Leute für unsere Idee begeistern und dazu motivieren können, mit Materialien zu arbeiten, die es bereits gibt. Simone Steinegger

Auch deshalb können bei Offcut Stoffe, Bänder, Papier oder Karton selber zugeschnitten werden. Hier kannst du eine einzige Muschel, eine Glasperle, ein Blatt Papier oder eine einzelne Schraube kaufen – Hauptsache, du generierst keine neuen Reste. «Wir freuen uns, wenn wir die Leute für unsere Idee begeistern und dazu motivieren können, mit Materialien zu arbeiten, die es bereits gibt», so Simone. Deshalb sind auch die Preise sehr günstig – du bekommst die Waren bei Offcut für maximal die Hälfte ihres Marktwertes. 

Die Materialien kommen von Privatpersonen, aber auch von Industriebetrieben, Kunst- und Designproduktionsstätten. Es sind qualitativ hochwertige und günstige Werkstoffe dabei, Einzelstücke und grosse Mengen. Doch egal ob synthetischer Glitzer oder weichstes Rindsleder, einzelnen Metalltrichter oder tausend Spitzenschürzchen – Simone freut sich über jede Spende. Weil sie weiss: Aus alldem entsteht über Kurz oder Lang etwas Neues. Daran werde ich denken, bevor ich das nächste Mal zum Recyclinghof fahre. Die Kabelreste, die Kunststoffstopfen, die alten Tischtücher oder der Vorrat an Veloglühbirnen aus der Werkstatt meines Grossvaters – sie alle können über Offcut eine neue Bestimmung in der bildenden Kunst oder im Projekt eines einfallsreichen Heimwerkers finden. 

Offcut Basel

Was 2013 als Idee in der Aktienmühle begann, ist heute ein schweizweiter Verbund von Materialmärkten mit dem Ziel, die Bevölkerung für einen achtsamen Umgang mit Ressourcen zu sensibilisieren und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Wer die Idee unterstützen will, kann seine Reststoffe vorbeibringen, hier einkaufen oder sich als freiwilliger Helfender engagieren. 

Offcut organisiert zudem Events für Firmen, Schulklassen, Geburtstage oder Privatanlässe. Im Atelier mit Blick auf den gesamten Materialfundus werden kreative Workshops und Kurse zu Nachhaltigkeitsthemen angeboten. Der Raum kann auch gemietet werden. 

offcut.ch