Sonnenschein und laues Lüftchen, schwarze Wolken und Sturmböen – egal bei welchem Wetter; Salome Buser hat ihre Fähre im Griff. Die ehemalige Bassistin der Band Stiller Has ist es gewohnt zu beobachten, zuzuhören und mit klarem Verstand das Geschehen aus dem Hintergrund heraus zu lenken. Ein Gespräch über Zwischenwelten, Vorurteile und die Faszination Wasser.

Der Rhein glupscht, die Enten schnacken, die Taue knarzen friedlich. Aus dem Funkgerät rauscht hin und wieder eine für den Laien unverständliche Ansage. Die St. Johann-Fähre UELI schaukelt sanft im Sonnenlicht. Salome checkt das Wetter, runzelt die Stirn. «Da kommt was auf uns zu…»

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Du hast Erfahrung als Schwimmerin, Geigerin, Gymnastiklehrerin, warst schon Bäuerin, bist aber auch Bassistin und Fährifrau …

Genau, und jetzt werde ich noch Instruktorin für Motorboote bei Powerboat Academy Basel! Seit meinem fünfzigsten Geburtstag versuche ich, jedes Jahr etwas Neues zu lernen. Ich habe die Segelprüfung gemacht, danach die für Motorboote, bin über den Atlantik gesegelt, seit letztem Sommer bin ich Fährifrau. Dieses Jahr bilde ich mich zur Motorboot-Instruktorin weiter. Ich wäre wahnsinnig gerne Kapitänin auf ganz grossen Schiffen, aber für diese Ausbildung bin ich leider zu alt ...

Was hat es denn mit dem Wasser auf sich?

Ich habe beim Segeln vor ein paar Jahren herausgefunden, dass ich mich auf dem Wasser sehr wohl fühle. Wohler als im Wasser, obwohl ich als Jugendliche Wettkämpfe geschwommen bin. Ähnlich wie bei der Musik musst du beim Navigieren eines Schiffes extrem wach und präsent sein, verbunden mit dem Ruder, dem Wind und dem Wasser. Ich liebe das sehr.

Salome schaut aus dem Bullauge im Innern der Fähre ans andere Ufer. Steht da Kundschaft? Der Blick durch den Feldstecher zeigt: Nein, nur zwei Jugendliche, die am Rheinufer ein Sandwich essen.

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Aber weshalb Fährifrau?

Es ist der einzige Weg, um meine Leidenschaft in Basel zu leben. Ich wollte das schon lange. Einen Tag nach Endos Tod (Endo Anaconda war der Sänger der Band Stiller Has, bei der Salome acht Jahre lang Bass spielte, Anm. der Redaktion) im Februar letzten Jahres spürte ich; ich muss aufs Wasser, um loszulassen. Auf der Fähre war mir dann sofort klar, dass der Moment gekommen war, um mit der Ausbildung zur Fährifrau zu beginnen. Die Fähre ist ja wie eine kleine Bühne. Die Leute betreten sie, ich beobachte im Hintergrund, höre zu. Genau wie am Bass lege ich den Boden für ein Solo oder eine kleine Pause.

Fehlt dir die grosse Bühne?

Nicht wirklich. Aber das Musikmachen. Lange Zeit habe ich eine Ohrenpause gebraucht. Je länger je mehr merke ich jedoch, dass mir das gemeinsame Musizieren fehlt. Es war nie mein Ziel, vor 10'000 Leuten auf dem Gurten zu performen. Das ist natürlich beeindruckend, abstrakt auch und ich erinnere mich gerne an diese erfüllte Zeit zurück.

Was ist das Besondere an der kleinen Fähri-Bühne?

Die vielen unterschiedlichen Seelen, die hier kommen und gehen. Diese verschiedenen Leben, Herkünfte und Geschichten finde ich unglaublich spannend. Ich mag auch die Zwischenwelt hier auf der Fähre. Man ist nicht mehr auf festem Boden. Wenn ich abends heimkomme, fällt mir oft auf, dass alles so steif und starr ist. Dann weiss ich: Ich bin landkrank.

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Zwei Herren in Anzug und Krawatte wollen über den Rhein. Salome schaut auf den Radar, sieht ein Schiff kommen. Die Abfahrt verzögert sich um ein paar Minuten. Sie kassiert das Geld ein, zwei Franken pro Person, plaudert mit den Gästen. Sie sprechen Englisch. Ein starker Wind hat eingesetzt, das Wasser kräuselt sich, erste Regentropfen fallen vom Himmel. Die Überfahrt wird stürmisch, die Landung am Steg nicht ganz so sanft, wie Salome es möchte. Sie muss die Fähre mit vollem Körpereinsatz fest vertäuen.

Womit hast du im Fähri-Alltag nicht gerechnet?

Mehrheitlich ist es so, wie ich es mir vorgestellt habe, ausser die WC-Situation im Winter: Die ist etwas komplizierter …

Du warst als Frau in der männerdominierten Musikbranche, jetzt bist du in der männerdominierten Fähri-Branche; wie geht’s dir mit Vorurteilen?

In dieser Hinsicht habe ich Glück mit dem Fähri-Pächter Michael Sackmann und dem ganzen Ueli-Team. Viele Leute haben Freude, wenn sie eine Frau auf der Fähri sehen. Es gab aber auch mal einen Mann, der nicht mit mir rüberfahren wollte. Ich dachte, er mache einen Witz, aber er meinte es tatsächlich ernst. Also sagte ich ihm: Super, aus genau diesem Grund habt ihr Männer ja die Brücken gebaut. Am Ende kam er trotzdem mit, wenn auch vor sich hin schimpfend. In solchen Fällen stelle ich einfach das Ruder entsprechend und fräse solche Leute zackig ans andere Ufer.

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Der Wind hat nachgelassen, die Sonne drückt bereits wieder durch die Wolken. Die Fahrt zurück ins St. Johann ist ruhig. Bis sieben Uhr abends hat Salome Dienst, fünf Stunden noch. Während mir das Geschaukel langsam etwas auf den Magen schlägt, freut sie sich über die erneuten Sonnenstrahlen.

Wie geht’s dir mit dem Alleinsein auf dem Wasser?

Ich bin gerne allein. Ich beobachte viele gehetzte Leute, die ständig gestresst aufs Telefon schauen. Damit habe ich Mühe. Ich schütze mich vor dem Ganzen, indem ich ganz bei mir bin. Auf der Fähre klappt das wunderbar, denn hier lenkt mich nichts ab. Diese Ruhe - sie ist wunderschön.