Anita Moser und Sabine Lauber sind voller Ideen, stets in Bewegung und jederzeit offen für Neues. Mit BLANCHE haben sie an der Schneidergasse einen Raum für vielfältiges Schweizer Modedesign und eine Manufaktur für zauberhafte Lederaccessoires geschaffen.

«Sali Anita», sage ich zu Sabine, als sie mich an der Tür von BLANCHE an der Schneidergasse empfängt. Und dies, obwohl ich mich im Vorfeld intensiv auf das Gespräch vorbereitet und mit den Geschichten der beiden Frauen auseinandergesetzt habe. Peinlich! Tatsächlich passiert ihnen diese Verwechslung nicht zum ersten Mal, wie sie mir versichern. Sabine und Anita könnten Schwestern sein. Und das sind sie nach all den Jahren irgendwie auch. «Wahl-Schwestern», wie sie sagen. Partnerinnen. Freundinnen auch. Gemeinsam führen sie an der Schneidergasse BLANCHE, einen Laden, der auch Werkstatt und Heimat ihres Labels «etmoietmoi» ist.

Eigentlich unverwechselbar: Sabine Lauber (links) und Anita Moser (rechts).

Hier verkaufen sie mit fachkundigem Blick ausgewählte Mode und Accessoires, fast nur Labels aus der Schweiz – rund 60 sind es unterdessen. Ihr Portfolio zeigt: Die Vielfalt an Modedesign, die in der Schweiz passiert, ist riesig. Dies kann für die Kundinnen und Kunden mitunter auch etwas anspruchsvoll sein, denn «von der Stange» gibt es hier nichts. «Dafür ist es bei uns ein sehr persönliches Einkaufen», erzählt Sabine. «Meist fühlt es sich eher an wie ein privates Treffen mit einem guten Gespräch.» Zu jedem Stück in ihrem Laden wissen Anita und Sabine die Geschichte, denn sie kennen die Designerinnen und Designer fast alle persönlich.

Verbunden in Freundschaft und Leder
Doch BLANCHE ist nicht nur Modegeschäft. BLANCHE ist auch Leder-Manufaktur. In der Werkstatt im vierten Stock des Gebäudes entstehen die im Laden verkauften Produkte ihres Labels «etmoietmoi». Hier werden Schlüsselanhänger, Handytaschen, Kartenetuis oder Lederarmbänder zugeschnitten, an den Kanten geschärft, gelocht, genäht und montiert. Die für das Label so typischen kunstvollen Flechtdetails entstehen auch manchmal am Arbeitstisch im Laden, da die beiden Designerinnen selber für die Kundinnen da sein wollen. Sie beraten gerne. Auch wenn es um das Reparieren von Lieblingstücken geht, die nicht bei BLANCHE gekauft wurden «Das ist zwar kein besonders lohnendes Geschäft», schmunzelt Anita, «aber es widerspiegelt unser Denken: Wir bemühen uns um Nachhaltigkeit. Da gehört es dazu, eine alte Tasche aufzufrischen oder die Naht einer geliebten Lederjacke zu flicken, um sie danach weitere Jahre mit Freude zu tragen.»

«Wir bemühen uns um Nachhaltigkeit.» Anita Moser

Wenn Anita und Sabine erzählen, dann immer ruhig und in mit Bedacht gewählten Worten. Sie unterbrechen sich nicht, ergänzen sich allenfalls. Lassen sich Freiraum, aber intervenieren, wenn sie es für nötig halten. Sie behandeln sich respektvoll und vertrauen sich ohne Vorbehalt. Wenn sie über ihre an die 25 Jahre dauernde Freundschaft reden, dann leuchten ihre Augen. Getroffen haben sie sich erstmals am Studiengang Modedesign der Hochschule für Gestaltung und Kunst der FHNW. Anita war im letzten Ausbildungsjahr, Sabine im ersten. «Ich erinnere mich gut, wie zielstrebig Anita jeweils durch die Räume gerauscht ist», schmunzelt Sabine. Was die beiden damals bereits verband: Sie gehörten zu den älteren in ihrer Klasse – beide hatten nämlich bereits einen Beruf, bevor sie nach Basel kamen, Anita genau genommen sogar zwei. Sabine war Lehrerin und arbeitete einige Jahre an einer Primarschule im Kanton Luzern. Anita zog es mit 16 von ihrer Heimat Bern an die Ballettakademie in Antwerpen. Nach abgeschlossener Ausbildung ging die Tänzerin zu den Bally Schuhfabriken nach Schönenwerd und wurde technische Schuhmodelleurin.

Viel Zufall und noch mehr Arbeit
Jahre nach ihrem ersten Kennenlernen am Studiengang Modedesign trafen sich Sabine und Anita zufällig in der Stadt. Beide hatten ein eigenes Label, Sabine entwarf Mode und Lederschmuck, Anita Schuhkollektionen. Aus einer Zufallsbegegnung wurde eine Verabredung zum Essen und am Ende eine Ateliergemeinschaft an der Hammerstrasse. «Beim gemeinsamen Bespielen des Schaufensters haben wir bemerkt, dass unsere Produkte super zusammenpassen», erzählt Sabine. Da Anita Mutter geworden war, drängte sich für sie ein Umdenken auf. «Plötzlich konnte ich nicht mehr wochenlang in Italien die Produktion der neusten Schuhkollektion begleiten. Ich musste einen Weg finden, wie ich meine Arbeit ökonomischer und weniger zeitintensiv voranbringen konnte», erzählt sie. Sie begann, vermehrt Designaufträge anzunehmen und im Atelier in Eigenproduktion Taschen anzufertigen.

«Ich bewundere Anitas unglaubliche Kreativität und mich beeindruckt ihre Energie» Sabine Lauber

Auf der Suche nach einem gemeinsamen Produkt fürs Weihnachts-Schaufenster entwickelten Sabine und Anita eine Wolkentasche und einen geflochtenen Schlüsselanhänger – beide Produkte sind bis heute Teil ihrer Kollektion. Vieles hätten sie nicht bis ins Detail durchdiskutiert, es habe sich im intensiven aber immer auch spielerischen Design- und Umsetzungsprozess entwickelt und sei ganz natürlich passiert, erzählen sie. So kamen sie auch zum Laden mitten in der Basler Altstadt, den sie eigentlich nicht gesucht haben, aber unterdessen seit drei Jahren führen. Sabine und Anita sind Macherinnen. Wobei Sabine eher strategisch vorgeht und strukturiert handelt, auch mal hinterfragt oder gar bremst. Anita hingegen ist eher impulsiv und sprudelnd. Sie will ihre Ideen umsetzen, gerne sofort. «Da ergänzen wir uns und tun uns gut», so Anita. Überhaupt sind die zwei Frauen über die Jahre zu einem engen Team zusammengewachsen. «Ich bewundere Anitas unglaubliche Kreativität und mich beeindruckt ihre Energie», so Sabine. Anita kontert:  «Ich finde es wahnsinnig toll, wie sorgfältig Sabine kritisch mit Produkten und Ideen umgehen kann, ohne ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ich freue mich bis heute jeden Tag darauf, mit ihr zu arbeiten.»

Die beiden gehen mit ihrer Beziehung behutsam um. Sie wissen, was sie aneinander haben, geschäftlich wie auch privat. Zwar sind sie familiär stark eingebunden – Anitas Tochter ist 13, Sabines Sohn 8 Jahre alt – doch die Ideen und die Energie, diese umzusetzen, gehen ihnen nicht aus. «Manchmal denke ich: Jetzt sitzen wir da in der Innenstadt in diesem Laden und verkaufen Produkte. Mal schauen, ob wir nicht mal noch was anderes machen, etwas, bei dem wir diesen Raum anders nutzen.», sinniert Sabine. «Natürlich, Blanche ist ja nur ein Ort und wie ein Gefäss. Wir können darin und damit machen, was wir spannend finden …» unterstützt sie Anita. Sabine und Anita sind eine Inspiration. Weil sie mit BLANCHE eine Bühne für das Schöne, für das Beständige geschaffen haben. Und weil BLANCHE über die Jahre der engen Zusammenarbeit mit den Designern eine Plattform und Fundgrube für herausragendes, überraschendes und handwerklich sorgfältig gemachtes Schweizer Modedesign geworden ist. Weil sie sich nicht scheuen, auch mal unwegsames Gelände zu betreten und damit zeigen, dass man im Leben zwar nicht alles planen, aber vom Leben umspült immer das Beste aus einer Situation herausholen kann. Und weil sie ihr halbes Leben lang diese Freundschaft pflegen, die sorgsamer und respektvoller nicht sein könnte. Wer weiss, mit welchen Ideen die beiden uns in Zukunft noch überraschen werden – sicher ist; die Kreativität geht ihnen garantiert nicht aus.

DREI FRAGEN AN ANITA & SABINE

Euer Style mit 18?
Anita: Damals habe ich angefangen High Heels zu tragen. Bis ich 45 war, hat man mich nicht ohne Absatz gesehen. Während meiner Ballettausbildung in Belgien habe ich oft genäht – ich hatte am Wochenende im Internat viel Zeit – mich aber noch eher brav gekleidet. Nur ein ganz kleines bisschen inspiriert von Cindy Lauper, Madonna und Co.

Sabine: Ich war damals am Lehrersemi und sehr jeansig unterwegs. 80er Jahre halt. Mode war mir damals zwar wichtig, aber noch keine Ausdrucksform. Allerdings hatte ich eine wahnsinnige Mähne; lang, gelockt – ich war Flashdance!

Was kann man von euch lernen?
Sabine: Offenheit und Beweglichkeit. Wir gehen auf Menschen zu, sind neugierig und bewegen uns auch einmal aus der Komfortzone heraus.

Anita: Dass Dinge – auch oberflächliche Modeprodukte – Zeit brauchen. Dass Menschen dahinterstehen, die mehr Herzblut, Erfahrung und Zeit in ihre Produkte investieren als in Geld gemessen werden kann. Dass es deswegen schön und angebracht ist, die alltägliche Hose oder das Top etwas demütig zu betrachten, und dass es mir selber mehr Freude an etwas bringt, wenn ich versuche zu verstehen, was ich eigentlich in den Händen halte. 

Gibt es etwas, das an euch spiessig ist?
Anita: Ganz viel! Wir sind eigentlich ein recht biederer Fachhandel. Wir verkaufen keine Pflanzen, nur weil es gerade trendy ist. Wir haben Kleider und Schuhe. Da sind wir streng und langweilig.

Sabine: Mein aktueller Lebensabschnitt ist nicht wahnsinnig aufregend oder fancy. Ich arbeite oder bin daheim bei der Familie. Aber die Zeiten der Unabhängigkeit kommen irgendwann wieder …!

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