Ihr Wohnzimmer ist ein Tanzsaal. Mit Parkett, hohen Decken, Kronleuchter, Spiegel an der Wand. Sofa und Esstisch sind in die Dachschrägen geschoben. Larissa und Heiko brauchen Platz. Sie leiten die Tanzschule «Basel Jitterbugs» und trainieren in ihrem Kleinbasler Zuhause wann immer möglich. Denn, so Heiko: «Wir können nicht ständig nur geben, wir müssen uns auch Zeit für unser eigenes Training nehmen. Das haben wir in all den Jahren gelernt.»
All die Jahre – das sind unterdessen 20. Kennengelernt haben sie sich an einer Schulparty in Schopfheim. Zu Discomusik haben sie damals geschwoft. Danach nahm Larissa, die seit ihrer Kindheit tanzt, Heiko mit zu einem Standardkurs. Bei Tango, Foxtrott und Walzer verlor er sein Herz. An Larissa. Und an den Sport. Bald schon verliebten sich die beiden erneut, dieses Mal in den Boogie Woogie, über den sie am Ende beim Lindy Hop landeten. Sie begannen zu unterrichten, fuhren an erste Festivals und erlebten, wie gross die Swing-Szene ist, wie bunt und schön.
Bild: Tamara Pinco
Viel Mut für einen grossen Traum
Bis vor wenigen Jahren arbeitete Heiko als Maschinenbauingenieur, war beruflich stark eingebunden, oft unterwegs. Larissa hatte ein Physik- und ein Mathematikstudium abgeschlossen und unterrichtete. «Wir hatten sichere Jobs und gute Löhne», erzählt Heiko. «Aber es hat sich irgendwann einfach nicht mehr richtig angefühlt.» Er kündigte 2018. «Es brauchte enorm viel Mut», erinnert sich Larissa. Während auf der einen Waagschale dieses Feuer und die Liebe fürs Tanzen lagen, schien die andere unendlich viel schwerer zu wiegen. «Da waren die ganzen Jahre und Kosten der Ausbildung, die Sorgen um die finanzielle Sicherheit – gleichzeitig dachte ich: Aber ich bin unglücklich!» Ein Jahr nach Heiko kündigte auch sie.
Unsere Arbeit öffnet. Für Menschen, Kulturen und Länder, die man sonst vielleicht nicht besuchen würde.Heiko Heckendorn
Seither sind die beiden noch öfter unterwegs. Unterrichten unter der Woche in ihrer Tanzschule in Basel, reisen an den Wochenenden zu Festivals in aller Welt. Warschau, München, Prag, Los Angeles, Helsinki, Barcelona, Mailand, Tallinn – manchmal brauchen sie eine Pause. Zeit zum Trainieren. Und Zeit für sich. «Während Corona haben wir eine Yoga-Ausbildung gemacht», erzählt Heiko, «aktuell gehe ich zum Ausgleich gerne ins Gym.» «Wir schwimmen zudem regelmässig im Rhein. Auch im Winter», ergänzt Larissa. Ihr Tanzpensum ist körperlich anstrengend. Zudem dauern die Partys oft bis in die Nacht, da gibt es auch mal etwas Schlafmangel am Folgetag. Larissa und Heiko haben gelernt, gut auf ihre Körper zu achten. Ausgleichssport zu betreiben, Kraft aufzubauen. Und genug zu essen. Nach dem Frühstück beginnt das Training im Wohnzimmer. Danach ruft das Büro. Zehn Lehrpersonen unterrichten für die Basel Jitterbugs. Drei Mal im Jahr organisieren sie ein Festival in Basel mit internationalen Lehrpersonen, Live-Bands und Partys. Hinzu kommen regelmässige Tanzanlässe und zahlreiche Kurse und Workshops.
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Eine grosse Familie mit Rhythmus im Blut
Um die Basel Jitterbugs hat sich eine stattliche Community gebildet, die sich, so Larissa, «anfühlt wie eine grosse Familie». Man kennt sich. Man hat Spass zusammen. Und man tanzt – alle mit allen. Bei Swing werden die Partner oft gewechselt. «Manchmal starten wir einen Abend gemeinsam, sehen uns dann aber erst Stunden später wieder», lacht Larissa. «Ja, hin und wieder hat man mit anderen Leuten Tänze, die sind magisch. Da fliesst es einfach, das ist enorm inspirierend», schwärmt Heiko. «Es ist, als würde man mit jemandem ins Gespräch kommen», führt Larissa aus. «Manchmal matcht es, manchmal nicht so.» Doch auch das internationale Parkett ist für Larissa und Heiko wichtig. Hier tauschen sie sich mit anderen Profis aus, tanzen Shows und Präsentationen, werden herausgefordert und inspiriert. Ihre neuen Eindrücke und Ideen bringen sie dann wieder in die Basler Szene ein. «Zudem haben wir unterdessen in ganz Europa Freunde, das ist unglaublich schön», findet Heiko. «Unsere Arbeit öffnet. Für Menschen, Kulturen und Länder, die man sonst vielleicht nicht besuchen würde.»
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Die Musik der 30er- bis 50er-Jahre, die schönen Kleider – Larissa und Heiko leben den Swing unterdessen auch im Alltag. Gleichzeitig ist ihnen sehr bewusst, woher die Musik und diese Art zu tanzen kommt: «Das Ganze hatte im Ursprung nicht immer mit Freude zu tun. Damals gab es in den USA Rassentrennung und Unterdrückung, der schwarzen Bevölkerung blieb das Tanzen, um die Hoffnung nicht zu verlieren und als Ausdrucksform», erklärt Larissa. «Umso wichtiger ist es uns, eine Community zu schaffen, die offen ist und alle inkludiert», so Heiko. Sich aus dem Elend tanzen; geht das tatsächlich? Larissa und Heiko sind sich sicher. «Auch wenn wir mal gestresst sind oder genervt, nach dem Tanzen geht es uns immer besser!» Das sei unter anderem dem chemischen Prozess geschuldet, der bei Bewegung Glückshormone produziert. «Aber auch der soziale Aspekt; die Begegnung mit Menschen, der Körperkontakt; das alles tut gut.» Tanzend, so sind sie sich sicher, schaltet man den Kopf automatisch aus, entspannt, öffnet sich und kommt in den Flow. Tanzend ist die Welt eine bessere. Wir sollten alle viel öfter tanzen.
Balboa Delight Festival
Das nächste von Heiko und Larissa organisierte Swing-Festival findet vom 28. bis am 30. Juni im KHaus statt. Hier dreht sich alles um Balboa. Es erwarten dich internationale Teacher, eine der besten Swingbands Europas und rauschende Partys. Am Sonntagabend findet eine Bootstour auf dem Rhein statt. Das Festival zieht Anfänger wie auch fortgeschrittene Tänzerinnen und Tänzer an.
Bild: Sarah Heckendorn