Dem Ehrgeiz und der Hartnäckigkeit einer Südkoreanerin ist es zu verdanken, dass in Basel Tofu produziert wird, der so frisch und aromatisch schmeckt, als käme er direkt aus einer koreanischen Tofurei. Ein Besuch bei Jinhee und Tom von Tuyu Tofu.

Sie hätte sich auch einfach daran gewöhnen können, dass Tofu in der Schweiz nicht so gut schmeckt wie in ihrer Heimat Südkorea. Doch das kam für Jinhee Park nicht infrage. «Weil das, was man hier als Tofu kaufen kann, mit dem Tofu, wie ich ihn kenne, nichts zu tun hat», erklärt sie resolut. Also setzte sie sich in ihre Küche. Weichte Sojabohnen ein. Drehte die Wasser-Bohnen-Pampe durch eine Schweizer Passiermühle. Kochte die Milch im Dampfkochtopf, bearbeitete sie mit dem Mixer. Und merkte schnell: Mit einfachen Haushaltgeräten Tofu herzustellen, das ist ein Krampf.

Heute steht Jinhee in weissen Gummistiefeln neben ihrem Mann Thomas Heiber in ihrer Tofurei in Kleinhüningen. Zwischen glänzenden Chromstahlwannen und Tofu-Pressen. Die Knöpfe der Mühle sind mit koreanischen Schriftzeichen versehen – und mit der jeweils deutschen Übersetzung. «Bohnen» steht da oder «Filter». Dass sie dereinst in einer solch professionell ausgestatteten Produktion mit koreanischen Profi-Geräten arbeiten würden, hätten sich die beiden noch vor zwei Jahren nicht vorstellen können. Damals mussten sie die Entscheidung fällen: Entweder wir geben jetzt alles auf oder wir geben noch einmal Vollgas. Sie haben sich für zweiteres entschieden.

Die Selbstständigkeit hat Jinhee und Tom gelehrt, Geschäft und Privates zu trennen. «Wir brauchen zwar noch etwas Übung darin, aber wir sind schon viel besser geworden», findet Jinhee.

«Wir könnten unsere Produktion theoretisch verdoppeln.» Thomas Heiber


Grosse Hoffnungen nach brutalem Start
«Die ersten beiden Jahre waren nicht lustig», erzählt Tom. Risikobereit und voller Enthusiasmus hatten Jinhee und er Tuyu Tofu gegründet, das ganze Kapital investiert, den alten Job gekündigt. Im Januar 2020 gings los. Zwei Monate danach die Katastrophe: Lockdown. Sämtliche Restaurants – Hauptkundschaft von Tuyu Tofu – schlossen die Türen. Jinhee und Tom blieben nur noch die Unverpackt-Läden, an die sie ihren Tofu in Gläsern liefern konnten. «Das machte Angst», erinnert sich Tom. «Und es kostete uns wertvolle Zeit», ergänzt Jinhee. «Aber jetzt sind wir auf dem richtigen Weg: Wir haben neu investiert, die perfekte Produktionshalle gebaut. Ich habe grosse Hoffnungen!»

Dass die beiden nach den ersten beiden Katastrophenjahren nicht aufgegeben haben, ist den ausserordentlich positiven Kundenfeedbacks zu verdanken. «Wenn jemand wie Tanja Grandits sagt, in ganz Europa gibt es keinen besseren Tofu, dann motiviert das natürlich sehr», schmunzelt Tom. Doch nicht nur die beste Köchin der Schweiz und ihr Sterne-Restaurant schwören bis heute auf die Tofu-Produkte von Tuyu. Zahlreiche weitere Restaurants aus Basel und der Region arbeiten unterdessen mit Jinhee und Tom zusammen. Zudem kann man Tuyu Tofu in ausgewählten Läden in der Stadt und online kaufen.

Gesund, natürlich und vielseitig in der Küche
Der Trend zu vermehrt pflanzlicher Ernährung kommt dem Paar entgegen. Die Menschen wollen gute Alternativen und Ergänzungen zu tierischen Produkten. Dennoch ist sich die hiesige Küche den Umgang mit Tofu oder Miso noch nicht so gewohnt. Während man in Korea Tofu zu allen Mahlzeiten isst – und gerne auch mal pur mit Sojasauce löffelt – tut man sich in der Schweiz noch etwas schwer mit Ideen zur Verarbeitung. Darum veröffentlicht Jinhee auf der Website von Tuyu Tofu immer wieder einfache Rezepte als Anregung zum Nachkochen. Schokoladenmousse oder Kuchenrezepte finden sich da, Tofu-Frittata, Tofu-Frikadellen oder Kürbis-Tofu-Gratin.

Ersetzt man Fleischprodukte mit Tofu, nimmt man deutlich weniger Kalorien und gesündere Fette zu sich. Tofu ist frei von Cholesterin und reich an Calcium, Phosphor, Folsäure, Magnesium und Eisen – ein Superfood also. Es würde den Menschen in unseren Breiten- graden guttun, etwas mehr davon zu essen. Tuyu Tofu könnte mit einer Steigerung der Nachfrage umgehen. «Wir könnten unsere Produktion theoretisch verdoppeln», so Tom. Derweil produziert Tuyu aus acht Tonnen Schweizer Bio-Sojabohnen jährlich etwa 16 Tonnen Tofu. Die Herstellung des Tofus, das Schneiden, Pasteurisieren, Verpacken und Ausliefern; alles machen Jihnee und Tom zusammen mit Marlene – Toms Schwester – als gut eingespieltes Team selbst.

Freunde, Geschäftspartner, Eheleute
Jinhee leitet die Produktion, Tom ist für den Verkauf und die Technik verantwortlich. Prozesse optimieren, Gesetze einhalten, Labortests organisieren oder Maschinen bauen – als gelernter Mechaniker ist das Toms Welt. Jinhee hingegen ist für die kompromisslose Qualität des Tofus zuständig. Mit ihrer Erfahrung riecht, sieht und schmeckt sie unterdessen sofort, wie sie die Sojabohnen bearbeiten muss. Als Naturprodukt variiert Soja je nach Jahr und Ernte und erfordert regelmässige Anpassungen in der Produktion, um ein gleichbleibend gutes Resultat zu gewährleisten. Jinhee ist sehr kritisch und hat hohe Ansprüche an ihr Produkt. Dennoch erzählt sie nicht ohne Stolz: «Unser Tofu schmeckt unterdessen tatsächlich genauso gut, wie ich es aus Korea gewohnt bin.»

Seit rund zehn Jahren lebt sie nun mit Tom in Basel. Kennengelernt haben sich die beiden 2004 auf Reisen. Nach der Hochzeit in Jinhees Heimat wohnten sie in Seoul. Tom ging zur Schule, um Koreanisch zu lernen, Jinhee arbeitete bei einer Zeitung und in einer PR-Agentur. Nach zwei Jahren beschlossen sie, in Toms Heimat zu ziehen. Und liessen den koreanischen Tofu zurück. «In Korea gibt es viele kleine Tofuläden – wie hierzulande Bäckereien», erzählt Tom. «Die beginnen morgens um vier Uhr mit der Tofuproduktion und verkaufen ihn dann ganz frisch auf dem Markt. Ein riesiger geschmacklicher Unterschied zu dem Tofu, den wir in der Schweiz kennen.» Doch frischen Tofu zu verkaufen, das würde sich in der Schweiz nicht lohnen. Darum entwickelte Tuyu eine Methode der Haltbarmachung, dank welcher der Tofu auch nach einem Monat noch schmeckt wie frisch und eine samtig-weiche Konsistenz hat. Geschmacklich liegen Welten zwischen ihm und dem harten Industrietofu, der in der Schweiz normalerweise verkauft wird. «Es ist, als würde man einen monatelang gereiften Bergkäse mit Scheiblettenkäse vergleichen», bringt es Tom auf den Punkt, «eine andere Liga.» Dank Jinhees und Toms Ehrgeiz spielt Basel in der Disziplin Tofu nun also in der Champions League.

tuyutofu.ch