Jahrelang destillierte sich Jo Dunkel in seiner Freizeit durch die Welt natürlicher Aromen. Die alkoholfreien Spirituosen, die er in seinem Keller in Riehen produziert, werden heute in namhaften Bars und Restaurants zu vielschichtigen Drinks gemixt.

Citro, Cola, Sinalco? Oder doch bloss wieder ein Wasser – zur Feier des Tages mit Kohlensäure? Das Angebot an non-alkoholischen Getränken in Restaurant und Bars stimmt mich weitestgehend ratlos. Als würden meine Ansprüche, nur weil ich keinen Alkohol trinken möchte, automatisch auf frühkindliches Niveau sinken. Dabei will ich vielleicht keine Promille im Blut, aber trotzdem Wumms im Glas. Komplexe Aromen, nuancierte Drinks mit Charakter und anständige Gläser zum Anstossen bitte!

Gin ohne Alkohol ist doch wie ein Velo ohne Räder.
Jo Dunkel

Auf der Suche nach stil- und geschmackvollen Getränke-Alternativen stiess ich auf die Edition Dunkel, den Einmann-Betrieb von und mit Jo Dunkel. Er hatte dem Alkohol vor mehreren Jahren den Rücken gekehrt und dabei ging es ihm wie mir: Die alkoholfreien Drinks langweilten ihn. Auch 0.0%-Gin konnte ihn nicht überzeugen. «Gin ohne Alkohol ist doch wie ein Velo ohne Räder», meint er, als ich ihn in seinem Zuhause in Riehen besuche. «Das ist nicht cool!» Jo wollte etwas Eigenes, eine eigene Kategorie erschaffen. Also besorgte er sich eine Kupferdestille und begann im Keller seines Hauses in Riehen zu tüfteln. Seither destilliert er alles, was ihm interessant erscheint: Pfingstrosen, Tannennadeln, Aloe Vera Blätter, Wurzeln, Johannisbeeren, Walderde oder Peperoni. Dabei entstehen wundersame Extrakte auf Wasserbasis, die im Zusammenspiel mit Gurkensirup, Apfelsaft, Verjus, Ginger Ale oder Tonic Water komplexe und überaus erwachsene Drinks ergeben.

Eine Bibliothek voller Düfte und Aromen
In Jos Keller duftet es nach Blumen und Kräutern, nach Heu und Erde. Unzählige Fläschchen mit Aroma-Versuchen bilden hier eine Geschmacksbibliothek für Fortgeschrittene. Sie stehen fein säuberlich von Hand beschriftet zum Schnuppern bereit. Laufend kommen neue Proben hinzu. Aktuell hat Jo zwei Spirituosen auf dem Markt: «Lain & Füm» ist eine Hommage an einen Waldspaziergang in den Bündner Bergen und «Stadtbalkon» einem lauen Abend auf dem Balkon mit dem Duft sonnenverwöhnter Kräuter und Blumen nachempfunden. Beide Produkte sind vollkommen frei von Alkohol und Konservierungsmitteln und werden unterdessen in namhaften Bars wie dem Trois Rois oder der Herz Bar zu Drinks verarbeitet. Drinks mit Alkohol. Aber eben auch solche, die den Rausch im Kopf keineswegs vermissen lassen. Und den Kater am Tag danach sowieso nicht.

Wenn ich schon ein unnötiges Luxusprodukt vertreibe, so soll es wenigstens handwerklich, naturnah und bio sein.
Jo Dunkel

«Es ist eine eigene, nerdige Welt rund um Düfte und Aromen», schmunzelt Jo, als er mir von der Entstehung seines Unternehmens erzählt. Von Degustationen mit seiner Familie, dem Tannennadeln-Sammeln im Wenkenpark und der Arbeit im Keller. Dass seine Spirituosen trotz mehrfacher Auszeichnung nicht mehrheitsfähig sind, ist er sich bewusst. «Aber ich will ja auch kein Massenprodukt herstellen. Mir ist meine Unabhängigkeit wichtig. Dass ich mich niemandem unterwerfen muss und selber entscheiden kann, worauf ich Lust habe und worauf nicht.» Von der Grafik bis zum Abfüllen der Flaschen; Jo macht alles allein. Auf jede Flasche klebt er von Hand zwei Etiketten, die er mit selbst angerührtem Kleister befeuchtet. «Eine ökologische Entscheidung», so Jo. «Nachhaltigkeit ist mir wichtig – wenn ich schon ein unnötiges Luxusprodukt vertreibe, so soll es wenigstens handwerklich, naturnah und bio sein.» Und gut aussehen muss es natürlich auch.

Abenteuer im Glas
Die Edition Dunkel ist nämlich kein reines Gastro- sondern auch ein Kunstprojekt. Jo ist ein Kreativschaffender. Er mag Geschichten. Als ausgebildeter Schauspieler, der sein einstiges Wanderleben dem sesshaften Familienleben anpasste und heute bei der Stiftung Habitat arbeitet, suchte er seinen Ausgleich stets im Schreiben und Zeichnen. Als er mit der Destillierung eigener Aromen begann, verknüpfte er auch die mit einer Geschichte. «Die Vergiftung, der man sich durch den Genuss von Alkohol unterzieht, ist eine Art Erlebnis, ein kleines Abenteuer», beschreibt er den Gedanken hinter seinen Kreationen. «Ich versuche ebenfalls ein Abenteuer herzustellen. Eines mit Aromen.»

Seitdem er seine Spirituosen über eine Schnapsbrennerei im Aargau vertreibt und sie in Bars von Zürich bis Berlin verarbeitet werden, rüttelt es in Jos Keller. Für die Waschmaschine, für Vorräte oder für die Skischuhe seiner Söhne ist neben all den Fässern, den Glasflaschen, den Boxen voller Kräuter kaum noch Platz. Um mit der Produktion nachzukommen, steht er oft bereits vor Sonnenaufgang im Keller. Noch etwas über zwei Jahre, dann ist Jo offiziell pensioniert. Klar, dass er sich nicht jahrelang in Themen wie Lebensmittelrecht, Hydrolate und Pflanzenkunde eingearbeitet hat, um dann zuhause Sudokus zu lösen. «Ich freu mich, in zwei Jahren die Produktion hochzufahren. Vielleicht gründe ich dann auch eine eigene Brennerei», meint er. Klar ist; Jo macht weiter und das ist gut so. Erwachsene alkoholfreie Drinks sind nämlich kein kurzfristiger Trend. Sie sind die Zukunft.

EDITION DUNKEL
Fürfelderstrasse 64, Riehen
editiondunkel.com