Betritt man auf der Suche nach dem Freiwerk das Kultur- und Gewerbehaus Elys, denkt man sich erst einmal: «Hier bin ich falsch.» Nichts erinnert in den nüchternen weissen Gängen an kreative Arbeit, an unkonventionelle Ideen und freie Geister. Öffnet man im ersten Stock jedoch die Tür 139, dann: Villa Kunterbunt. Pflanzen, Velos, Sofas und Sessel, orange Spinde, Kunstobjekte – ein inspirierendes Ganzes eröffnet sich einem, man möchte gleich ins Übergwändli springen und eine Säge, einen Pinsel, einen Klumpen Ton in die Hand nehmen.
Das «Freiwerk 2.0» startete im Herbst 2021. Hier, in dieser rund 700 m2 grossen Halle, die zum ehemaligen Coop Verteilzentrum gehörte, wurde früher Teig geknetet, Gipfeli gerollt und Brot gebacken. Heute erzählen nur noch die teils etwas ramponierten Fliesen an den Wänden von Hygienerichtlinien und Lebensmittelinspektorat. Ansonsten erkennt man den Ort nicht wieder. Die Macherinnen und Macher vom Verein Freiwerk haben die Halle über neun Monate hinweg eigenhändig ausgebaut. Mit dem zeit- und kostenintensiven Umbau war klar: Das Freiwerk, das als Gemeinschaftswerkstatt für eine Hand voll Freunde und ihre Bekannten begonnen hatte, muss sich öffnen und professioneller werden.
Von Beginn weg konnten wir uns nicht zwischen Holz- und Metallwerkstatt entscheiden. Wir wollten beides. Und noch mehr.Lino Schnetzler
Kreatives Austoben unter Freunden
Seit ihrer Kindheit kennen sich die fünf Freunde, die heute den harten Kern des Vereins bilden. Im Zwischenwerk, dem Gemeinschaftsraum zwischen den Werkstätten, erinnern sie sich an die Anfänge ihres Projekts. Ans «Freiwerk 1.0», das 2017 von Michele Giannini und Lino Schnetzler ins Leben gerufen wurde. «Wir waren auf der Suche nach einem Free Space, einem Ort, um Ideen umzusetzen», erzählt Michele. «Weil es sowas in Basel nicht gab, mieteten wir ein Atelier in einer Zwischennutzung auf dem Lysbüchel-Areal, einen Raum zum Werkeln.» Metallbauer Lino ergänzt: «Von Beginn weg konnten wir uns nicht zwischen Holz- und Metallwerkstatt entscheiden. Wir wollten beides. Und noch mehr.» Nach und nach kamen daher weitere Menschen aus Micheles und Linos Umfeld hinzu. Ein Nähatelier entstand, dann eine Töpferwerkstatt. «Wir sind einfach eine Gruppe Freunde, die kreativ arbeiten wollten», erklärt Linda Schnetzler, die für Events und für Organisatorisches zuständig ist. «Erst mit der Zeit merkten wir, dass auch andere, fremde Leute Interesse daran haben, unsere Räume und Infrastrukturen zu nutzen.»
Mit dem Ende der Zwischennutzung mussten sich die Freunde entscheiden: Wars das, oder machen wir weiter, werden grösser, offener? Sie entschieden sich für letzteres. Und hier sitzen wir heute, in gemütlichen, alten Ledersofas auf dem selbstgezimmerten Podest. Schräg angebrachte Fenster bieten Einblick in die verschiedenen Werkstätten.
Hier scheint es Raum für jede Idee zu geben. Es mangelt weder an Material noch an Werkzeug oder Maschinen. Wer ein Bett zimmern, ein Kleid nähen oder eine Vase töpfern will, ist hier genau richtig. Es gibt eine Velo-Ecke, ein Malatelier, die einzige öffentliche Metallwerkstatt der Stadt und sogar eine Dunkelkammer zum Entwickeln analoger Fotografien.
Ort für Workshops, Events und eigene Projekte
Rund 400 Mitglieder hat der Verein Freiwerk unterdessen, etwa 150 von ihnen nutzen die Räumlichkeiten regelmässig für kreative Projekte. Eine Mitgliedschaft kostet 60 Franken pro Jahr. Die Zeit, die man in den Werkstätten verbringt, wird separat verrechnet. Für jede Werkstatt gibt es eine ausführliche Einführung, um den Umgang mit den Maschinen zu lernen. Die Räumlichkeiten können auch für eigene Workshops, für Teamanlässe oder ein Geburtstagsfest gemietet werden.
Wir sehen hier Junge und Alte, Studentinnen, Künstler oder Architektinnen ein- und ausgehen – das ist mega schön!Michele Giannini
Bis heute investieren die fünf Freunde viel Zeit in das Freiwerk. Ehrenamtlich. Mit dem Umzug ins Elys ist die Belastung gewachsen. «Früher konnten wir die Miete untereinander aufteilen», erzählt Jana Graf, die das Töpferwerk leitet. «Jetzt ist jeden Monat finanzieller Druck da.» «Das Ganze muss sich rechnen», bestätigt Leon Egeli, der sich um das Velowerk und die Finanzen des Vereins kümmert. Die Truppe schmunzelt verhalten. Das tut es aktuell noch nicht. «Wir sind noch auf Stiftungsgelder angewiesen», so Leon. Wachstum und Entwicklung brauchen eben Zeit.
Dennoch; das Freiwerk und seine Macherinnen und Macher sind erwachsen geworden. Die Nachfrage und die vielen positiven Rückmeldungen bestärken die Fünf in ihren Bemühungen. «Wir sehen hier Junge und Alte, Studentinnen, Künstler oder Architektinnen ein- und ausgehen – das ist mega schön!», so Michele. Auch die Ideen gehen den Freunden so schnell nicht aus. Das «Freiwerk 3.0» ist angedacht. Mit erweitertem Bekanntheitsgrad, werkspezifischen Events und Gastroküche. «Bis dahin freuen wir uns über alle Menschen, die den Weg zu uns finden und bedanken uns bei all jenen, die bei uns mitwirken und uns irgendwie unterstützen», schliesst Linda. Wer das Freiwerk für eigene Workshops, einen Firmenanlass oder einen privaten Event buchen möchte, ist jederzeit herzlich Willkommen.
FREIWERK
Elsässerstrasse 215
freiwerk-basel.ch