Was hat dich im ersten Jahr in der Kunsthalle Basel am meisten überrascht?
Ich staunte über das Tempo, das hier vorgelegt wird. Acht Ausstellungen pro Jahr, jede Menge Events und Workshops – das Ganze stemmen wir mit sehr überschaubaren personellen Ressourcen. Ich bin überwältigt von der Leistung des Teams!
Eigentlich dachte ich, Basel sei eher ruhig und gemütlich, aber seit ich hier bin, ist dauernd etwas los.
Und wie findest du’s in Basel?
Prima! Ich wohne im Kleinbasel, Mitten im Getümmel. Eigentlich dachte ich, Basel sei eher ruhig und gemütlich, aber seit ich hier bin, ist dauernd etwas los. Die ART, die Kunsttage, die Herbstmesse, der Weihnachtsmarkt, die Fasnacht, der ESC, die Fussball-EM … Ich kann unmöglich alle Vernissagen, Konzerte und sonstigen Events besuchen, die mich interessieren. Basel eignet sich aber auch gut, um planlos durch die Strassen zu spazieren und neues zu entdecken. Am Wochenende gehe ich oft raus in die Natur, ich habe zum Beispiel das Chaltbrunnental bei Aesch für mich entdeckt; unglaublich schön!
Vermisst du den Genfersee oder bist du nun passionierter Rheinschwimmer?
Ich bin tatsächlich eher der See-Typ. Ich mag den Rhein, aber die Strömung stresst mich immer ein wenig. Im See fühle ich mich sicherer. Das mag aber auch daran liegen, dass ich nicht der beste Schwimmer bin ...
Wovon träumtest du als Bub?
Ich hatte viele Träume und wollte vom Hollywood-Star bis zum Arzt alles mögliche werden. Schon in jungen Jahren war ich ziemlich ambitioniert, hatte viel Energie und immer ein Projekt am Laufen. Ich war keine zehn Jahre alt, als ich in meinem Kinderzimmer eine Bibliothek eröffnete und meine Bücher an Freundinnen und Freunde auslieh – inklusive Stempel für die Rückgabe. Ich hatte ständig neue Ideen und Pläne.
Und wie kamst du zur bildenden Kunst?
Über die Literatur. Meine Eltern brachten mir die jemenitische Musik, die Literatur und die Geschichte ihrer Heimat näher. So wurde ich ein grosser Fan von Geschichten und Poesie. Später begann ich mich für mittelalterliche Kunst zu interessieren, studierte Kunstgeschichte. Zeitgenössische Kunst kam erst viel später dazu.
Aber irgendwann warst du ja selber als Künstler aktiv …
Ja, aber ehrlich gesagt wurde ich nur zufällig Künstler. Ich schrieb Gedichte und Texte. Ein Kurator wollte dann irgendwann einige Texte von mir für eine Ausstellung verwenden – ich dachte, das sei eine einmalige Sache. Vermutlich war ich einfach zu höflich, um nein zu sagen und so entstanden einige Werke. Allerdings liegt mir das Kuratieren mehr.
Wie schafft man es als junger Künstlerin oder Künstler, deine Aufmerksamkeit zu erregen?
Mich muss der Mensch hinter der Kunst interessieren. Oder etwas in der Arbeit, das mich beunruhigt oder neugierig macht.
Was schätzt du an deiner Arbeit in der Kunsthalle Basel?
Das Grossraumbüro! Manchmal ist es hier ganz still, hin und wieder auch ziemlich chaotisch – ich mag das! Auch die Kommunikationswege sind sehr direkt. Wir müssen nicht jedes Meeting planen, können Fragen oder Ideen auch spontan über den Computer hinweg besprechen.
Es ist spannend zu sehen, wie die Leute auf eine Ausstellung reagieren.
Bist du vor einer neuen Ausstellung nervös?
Ja, immer. Ich habe zwar grosses Vertrauen in die Kunstschaffenden und auch in mein Team. Dennoch fühle ich mich jeweils, als würde ich eine Bühne betreten. Aufgeregt, aber im positiven Sinne. Es ist spannend zu sehen, wie die Leute auf eine Ausstellung reagieren. Am Ende arbeite ich schliesslich für das Publikum und für Basel.
Warum sollte man die Kunsthalle Basel besuchen?
Weil wir der Zeit voraus sind. Das hat die Kunsthalle 150 Jahre lang bewiesen. Hier wurden immer wieder Kunstschaffende ausgestellt, bevor sie auf der ganzen Welt bekannt wurden. Natürlich kann ich nicht versprechen, dass jede gezeigte Künstlerin, jeder Künstler dereinst ein Star werden wird, aber wenn du bereit bist, das Risiko in Kauf zu nehmen, bist du hier richtig.
Hattest du ein gutes erstes Jahr in Basel?
Ich hatte ein fantastisches Jahr! Prägend. Transformativ auch. Mein gesamtes Leben veränderte sich komplett. Wie ich am Anfang bereits erwähnte, war ich überrascht vom Tempo dieses Ortes. Und so war dieses Jahr überaus berauschend. Ich habe aber auch gelernt, mich dem Rhythmus anzupassen und bin heute Teil davon.
Mohamed Almusibli
Seit März 2024 ist Mohamed Almusibli der neue Direktor und Kurator der Kunsthalle Basel. Mohamed Almusibli wurde 1990 in Sanaa (Jemen) geboren und kam 1994 mit seiner Familie nach Genf. Hier studierte er nach der Schule Kunstgeschichte und Arabisch. An der ZHdK absolvierte er daraufhin ein Studium der Kunst- und Medientheorie, welches er mit einem Master an der Hochschule für Kunst und Design in Genf (HEAD) abschloss. Ab 2019 war er Mitbegründer und Kurator des unabhängig betriebenen Kunstraums Cherish in Genf.