Lust auf eine musikalische Zeitreise? Am Dreispitz spüren Tüftler dem Klang der Renaissance nach, hämmern Messing in barocker Manier und fertigen romantische Gravuren an – alles für den besten Klang der Gegenwart. Zu Besuch in den Werkstätten von Egger.

Das regelmässige «Pling – Pling – Pling» eines Hammers auf Metall wird von Bruce Springsteens «Glory Days» aus dem Radio untermalt. In einer Ecke pfeift ein Herr fröhlich vor sich hin. «Buongiorno» ruft jemand in die Werkstatt hinein, «buongiorno» tönt es mehrstimmig zurück. Eine friedliche Runde ist das hier bei Egger an der Venedigstrasse am Dreispitz. Ich hab’s mir hektischer vorgestellt und vor allem lauter – schliesslich bin ich im weltweit grössten Betrieb für historische Blechblasinstrumente. «Normalerweise ist tatsächlich mehr los», schmunzelt Peter Boekels, Chef des Unternehmens. «Doch aktuell sind ein paar Mitarbeitende nicht da, unsere vier Lernenden in der Berufsfachschule …»

Gibt es viele junge Menschen, die heute noch Blasinstrumentenbauer werden wollen? «Wir bekommen regelmässig Anfragen», meint Peter Boekels. «Seit diesem Sommer haben wir jedes der vier Lehrjahre besetzt.» In auffällig feinem Hochdeutsch berichtet er, so dass mir sofort klar ist; der Mann kommt nicht mal eben aus dem grenznahen Südbaden an den Dreispitz zur Arbeit – er klingt nach weiterer Reise. «Hamburg!», bestätigt er denn auch. Er habe Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften studiert und vor fünf Jahren offiziell den Betrieb von Rainer und Rosa Egger übernommen.

Dass jemand in der Grossstadt Hamburg seine Karriere abbricht, um in der Kleinstadt Basel Blechblasinstrumente zu verkaufen, dafür braucht es wohl jugendlichen Übermut. «Enthusiasmus eher», meint Peter Boekels. «Mir war von Anfang an klar, dass das eine besondere Chance ist.» Er sei selbst leidenschaftlicher Trompeter, spiele in diversen Orchestern. «Die Musik begleitet mich seit meiner Kindheit.» Als er schliesslich vor einigen Jahren erfuhr, dass die Eggers in Basel eine Nachfolge für ihren Familienbetrieb suchen, war für ihn sofort klar: «Das ist es; mein Leben, meine Passion.» Damals spielte er bereits auf einer Egger-Barocktrompete und kannte die Exklusivität dieses besonderen Familienunternehmens. Er kam für ein Praktikum nach Basel, liess sich vom Chef in die Kunst des historischen Instrumentenbaus einführen, fuchste sich in den Betrieb ein. Und übernahm ihn 2019.

Zu Gast auf den Bühnen dieser Welt
Musikerinnen und Musiker auf der ganzen Welt spielen Kompositionen alter Meister auf Egger-Trompeten, -Posaunen und -Hörnern. Die historischen Nachbauten sind in der New Yorker Met, der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper und im Sydney Opera House gleichermassen zu hören. Was ist also das Besondere an den Instrumenten, die in Basel gebaut werden? Die Instrumentenbauer bei Egger haben die Kunst des historischen Instrumentenbaus perfektioniert. Zur Zeit von Johann Sebastian Bach hat eine Trompete anders geklungen als zur Zeit von Johannes Brahms, der rund 100 Jahre später gelebt hat.

«Der Zauber an der Sache ist der, dass wir den Klang erzeugen, den der Komponist einst vermutlich selbst im Ohr hatte.» Peter Boekels

Anderes Material, andere Werkzeuge, andere Techniken. Bei Egger weiss man, wie ein Instrument um 1680, um 1730 oder 1850 geklungen hat. Und wie man es heute nachbaut. «Wir hämmern das Blech von Hand, sind sehr nah dran an der Original-Herstellung», erklärt Peter Boekels. «Der Zauber an der Sache ist der, dass wir den Klang erzeugen, den der Komponist einst vermutlich selbst im Ohr hatte – und damit das Publikum in eine andere Zeit versetzen.» Doch nicht nur historische Instrumente, auch professionelle moderne Trompeten der Marke Galileo werden bei Egger gebaut. Auch sie sind weltweit gefragt.

Gegründet wurde das Unternehmen von Adolf Egger 1940 als Reparaturwerkstatt für Militärinstrumente. Es muss etwa 1967 gewesen sein, als er die ersten Barocktrompeten nachbaute. «Dies ist vor allem dem US-amerikanischen Trompetenvirtuosen Edward Tarr zu verdanken, der damals nach Basel an die Schola Cantorum Basiliensis kam, um hier weiter zu studieren und danach selbst zu unterrichten und zu forschen», so Peter Boekels. In den 1970er Jahren stieg die Nachfrage nach historischen Instrumenten und Egger spezialisierte sich. Und weil Adolf Eggers Sohn Rainer selber ein passionierter Tüftler und Entdeckergeist war, trieb er die Entwicklung hin zu perfekt spielbaren und authentisch klingenden Instrumenten weiter voran. Nebenbei optimierte er auch die Kopfstücke fürs Basler Piccolo und brachte so ein Produkt auf den Markt, das vor allem für die Basler Fasnacht bis heute gefragt ist. «Rainer Egger ist zweifellos einer der besten Instrumentenentwickler und – bauer unserer Zeit», ist sich Peter Boekels sicher. 75 Jahre alt sei er unterdessen, «nach wie vor zweimal die Woche im Betrieb anzutreffen und überdies spielt er in verschiedenen Formationen Tuba. Wir pflegen einen sehr engen Kontakt. 

Wissenschaft und Handwerk zugleich
Zwar muss ein Instrumentenbauer nicht zwingend ein Instrument spielen können, denn das Bauen ist genauso wie das Spielen eine Wissenschaft. «In der Realität hat jedoch praktisch jeder Instrumentenbauer einen Bezug zu Musik», so Peter Boekels. In der Werkstatt hämmert, schleift und pfeift es derweil munter vor sich hin. Posaunen, Trompeten, Hörner, eine Tuba und gar eine Geige hängen von der Decke, auf den Werkbänken stehen Ölfläschchen, Mundstücke und Fetttiegel neben Schraubstöcken, Zangen, Ahlen und Feilen. Schubladen tragen geheimnisvolle Beschriftungen wie «Konische Bögen», «Kluppenzüge» oder «Quersteg-Lötlehre». Antik anmutende Maschinen stehen herum, bedeckt mit feinen Messingspänen. Ich kann mich kaum sattsehen an dieser zauberhaften Werkstatt-Welt, in der jeder Mitarbeitende mit Präzision und Gespür genau das tut, was er am meisten liebt und in der jeder Handgriff auf den Millimeter genau sitzt. Ruhig, konzentriert und vergnügt wird hier gehämmert, gebogen, gefeilt, gelötet und poliert. «Manchmal geht auch etwas daneben», gesteht ein Mitarbeiter schmunzelnd und findet zudem: «Gut, dass Sie über uns berichten – wir sind nämlich auf der ganzen Welt bekannt, nur nicht in Basel!»

Vom kleinen Service bis zur Spezialanfertigung

Seit 1940 und bis heute bietet die Egger GmbH einen Instrumenten-Service und Reparaturen an. Bekannt geworden ist das Unternehmen jedoch durch die kunstvollen Spezialanfertigungen historischer Instrumente, welche von Musikerinnen und Musikern auf der ganzen Welt gespielt werden. Heute baut Egger zudem professionelle moderne Trompeten der Marke Galileo, die weltweit in Sinfonieorchestern und in der Unterhaltungsmusik gefragt sind. Überdies bietet die Manufaktur eine Vielzahl an Mundstücken an, fertigt Kopfstücke fürs Basler Piccolo, plant, baut und graviert individuelle Instrumente. Historische wie auch moderne Trompeten, Posaunen und Hörner können bei Egger auch gemietet werden.

BLECHBLAS-INSTRUMENTENBAU EGGER GMBH Venedigstrasse 31, Münchenstein – eggerinstruments.ch