Karl Küchlin war gelernter Metzger und unterhielt in Lörrach und Freiburg diverse Gaststätten, als er ab 1900 vom Basler Verkehrsverein engagiert wurde, in der Freie Strasse ein Variété zu betreiben. Die Leute kamen in Scharen, um Bauchrednerinnen, Tierstimmen-Imitatoren, einbeinige Künstler oder tanzende Kleinwüchsige zu sehen. Bald platzte das Theater aus allen Nähten. Karl Küchlin erwarb ein Grundstück in der damals wenig mondänen Steinenvorstadt und baute sich sein Denkmal.
Ab 1912 standen in Küchlin’s Variété Theater Stars wie Josephine Baker auf der Bühne, Clown Grock, Heinz Rühmann oder die Comedian Harmonists. Es wurden Elefanten von der Bühne gezaubert und Krokodile hypnotisiert. Mit seinen glanzvollen Revuen und kinematografischen Vorführungen war das Küchlin bis New York bekannt, was im prüden Basel nicht nur für Freude sorgte. Bis heute umgibt das «Kiechli» ein Zauber. Inmitten von Restaurant- und Modeketten erzählt es Geschichten von Kühnheit, Frivolität und rauschenden Partys. Es braucht einen etwas verrückten Kerl, der eine dermassen legendäre Kiste wiederbelebt. Willkommen, Oliver Martinez!
«Hier müsste man eine Party feiern!», dachte sich Oliver, als er vor einem Jahr am geschlossenen Küchlin vorbeikam. Trotz Vollzeitjob sah er sich den Saal, den er aus Kinozeiten kannte, von innen an. Und erkannte: Dieser Raum ist einzigartig. «In meinem Kopf begannen die Gedanken zu drehen», erzählt er mit leuchtenden Augen. «Irgendwann hatte ich ein Konzept zusammen. Und wenig später den Schlüssel für das Gebäude in der Hand.» Von Anfang an wollte Oliver mehr als Kino. Im Saal 1 sollen wieder Shows stattfinden. Theater. Konzerte. Slam Poetry. Comedy. Auch Flohmärkte kann er sich vorstellen – und natürlich Partys.
Im Sommer kündigte Oliver seine Festanstellung. Seither hat er mehr Luft zum Atmen und mehr Zeit, seine Ideen umzusetzen. Mutig ist er, das muss man ihm lassen. «Oder naiv, wer weiss», lacht er. «Aber lieber scheitere ich, als dass ich es bereue, es nicht probiert zu haben.» Auf Oliver lastet neben dem finanziellen auch ein ideologischer Druck. «Ich darf das nicht versieben. Aber wie sagt man so schön? Diamonds are made under pressure. Und eigentlich habe ich bereits gewonnen, weil ich heute in diesem Saal sitze. Das macht mich extrem glücklich.»
Lieber scheitere ich, als dass ich es bereue, es nicht probiert zu haben. Oliver Martinez
Innerhalb weniger Wochen ist Oliver Martinez zum Kinobetreiber und Eventmanager geworden. Er kümmert sich um Unterhalt und Kinotechnik, erstellt Einsatzpläne, verhandelt mit Filmverleihern, organisiert Events. Neulich zum Beispiel einen Tanzabend, bei dem die Musikvideos der gespielten Songs auf Leinwand abgespielt wurden. Bis Mitte 2027 ist die Zwischennutzung aktuell bewilligt. So lange wird Oliver Martinez Herzblut und Idealismus investieren, um dem Saal 1 die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die er verdient. Zwar verschwinden hier keine Elefanten mehr, dafür werden Erinnerungen wach. Mit dem Saal 1 steigt der Glamour-Faktor der Steine beachtlich. Karl Küchlin hätte seine helle Freude.
Events im Saal 1
Der Saal 1 bietet mit seinem nostalgischen Charme das Herzstück des Gebäudes. Er kann für private und geschäftliche Anlässe gemietet werden – aber auch der etwas kleinere Saal 5, das Foyer, das Sitzungszimmer oder die Kinobar eignen sich für Events von bis zu 550 Personen.