«Können Sie mir helfen? Wie bekomme ich dieses Buch auf meinen Kindle?». Ein älterer Mann will im Schmiedenhof ein Buch digital auf seinem Lektüregerät ausleihen, aber irgendwie geht es nicht. «Ah, das hier ist schwieriger, das geht so nicht auf den Kindle.» Die Bibliothekarin bittet ihn zur Theke, irgendwie werden sie das Problem nun lösen. Durch die hohen Fenster fällt steiles Sonnenlicht ins Gebäude der GGG, der Basler Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige. Hier betreibt der Verein seine zentralste Bibliothek, markiert mit den drei schwarzen Buchstaben auf hellgelbem Grund. Der prächtige historische Schmiedenhof, der sich zwischen Rümelinsplatz und Gerbergasse einschmiegt, ist das Wahrzeichen der grössten Basler Organisation zur Förderung von Bildung und Bekämpfung der Armut.
«Wir können durchaus behaupten, dass zumindest wir eher eine Zunahme der Leselust feststellen.»David Andreetti
Rund 35'000 Abonnentinnen und Abonnenten zählen die Bibliotheken. Sie sind in jedem Quartier vertreten, hier kommen auch die meisten Menschen der Stadt mit der GGG erstmals in Berührung. Und das schon früh: Allein die Erstklässler-Karte fixt einen als Kind schon an, die Bibliotheken aufzusuchen. Und allen fortschrittsverdrossenen Schlagzeilen über die schwindende Leselust der Bevölkerung zum Trotz: Die Bibliotheken der GGG erreichten allein vergangenes Jahr wieder Rekordzahlen – bei den Abos, bei den Besuchen, bei den Ausleihen.
«Wir können also durchaus behaupten, dass zumindest wir eher eine Zunahme der Leselust feststellen», sagt David Andreetti. Der 49-Jährige ist Delegierter des GGG-Vorstands, also eine Art Verwaltungsratspräsident und Schnittstelle zum Operativen in einem. Zusammen mit Geschäftsführerin Beatriz Greuter lenkt er die Geschicke des Vereins, dessen Engagement weit über ein ohnehin weit verzweigtes Bibliotheksnetzwerk hinaus geht.
Isaak Iselin: Gelehrter, Politiker, Menschenfreund
Gegründet am 30. März 1777, hält sich die Gesellschaft nun bald «ein Vierteljahrtausend», wie es Historiker Andreetti formuliert. Man rechnet hier in grösseren Zeitordnungen. Der Gründer, Isaak Iselin, steht heute noch im Schmiedenhof, zumindest ein Standbild aus der Hand von Karl Alfred Lanz. Das wurde allerdings «erst» 1891 errichtet, bezahlt hatte es ein Urenkel Iselins. Der Gründer war ein schillernder Gelehrter aus der Basler Oberschicht, Politiker, Menschenfreund.
Der Begriff kommt nicht von ungefähr: Er begann sein publizistisches Werk mit den «Träumen eines Menschenfreunds» und fasste es schliesslich in seiner «Geschichte der Menschheit» zusammen. Iselin war ein Aufklärer, aber kein Verträumter. Als Ratsschreiber von Basel war er in die Tagespolitik eingebunden, als Politiker jedoch gelang es ihm nicht, in die Standesregierung gewählt zu werden. Tätig war er ohne Unterlass. Erst gehörte er 1761 zu den Mitbegründern der Helvetischen Gesellschaft, 1964 übernahm er das Präsidium, 1777 gründete er die GGG. Damals hiess sie noch etwas umständlicher «Gesellschaft zur Aufmunterung und Beförderung des Guten und Gemeinnützigen».
Seither also ist die GGG in Basel, unablässig, hilfreich und – bis aufs Logo-Design der Bibliotheken – nicht besonders laut. Geschäftsführerin Greuter sagt es so: «Stabilität ja, aber die GGG reagiert auf die Gesellschaft, sie greift Themen auf, etabliert Angebote, kann diese aber auch wieder entlassen – zum Beispiel in die Selbstständigkeit, an den Kanton oder schlicht einstellen.» Die 55-Jährige ist seit März 2023 Geschäftsführerin. Vorher war sie im Gesundheitssektor tätig, bei der privaten Hirslanden-Gruppe, und für die SP Basel-Stadt aktiv, unter anderem im Grossen Rat. Heute würde sie keine politischen Mandate mehr annehmen: «Das würde mit meiner Funktion hier kollidieren. Natürlich ist die GGG politisch im Sinne eines öffentlichen Akteurs in der Stadt; aber sie ist nicht parteipolitisch oder in diesem Sinne politisch aktiv unterwegs.»
Diese Unterscheidung ist wichtig. Denn mit ihren Angeboten arbeitet die GGG an der zwischenmenschlichen Front dieser Stadt. Die Bibliotheken sind ein Eingangstor, aber nicht alles. Der Verein ist der grösste Organisator von Freiwilligenarbeit, mit GGG Migration unterstützt sie jährlich um die 9000 Personen in Fragen von Arbeit, Finanzen, Steuern und so weiter. Mit ihrer Hilfe zum Ausfüllen der Steuererklärung unterstützt sie weitere rund 2000 Menschen jährlich beim Erledigen ihrer Steuern – allein via Freiwilligenarbeit. Sie unterstützt soziale und kulturelle Institutionen, vergibt dabei jährlich rund zwei Millionen Franken an Dritte. Sie arbeitet mit der Jugendarbeit Basel (Juar) zusammen, unter anderem mit dedizierten Jugendecken in den Bibliotheken. Sichere Zonen, wo Jugendliche unter sich sein können.
«Wir sind eigentlich ein sozial tätiges KMU.»Beatriz Greuter
Gut aufgestellt und stark vernetzt
Rund 300 Freiwillige zählt der Verein, das sind mehr, als die GGG Angestellte hat. Mit insgesamt 6500 Mitgliedern ergibt das eine stattliche Organisation. Greuter lacht und sagt: «Wir sind eigentlich ein sozial tätiges KMU und sind entsprechend aufgestellt.» Die Vernetzung reicht tief in die kantonale Verwaltung – längst nicht nur zur Steuerverwaltung mit den Steuererklärungen –, aber auch in andere Basler Sozietäten und Stiftung. Mit der CMS verbindet die GGG eine langjährige Partnerschaft. Wobei die GGG, die «kleine Schwester», wie Andreetti sagt, oft etwas flinker sein kann als die grosse CMS. «Der Verein ist genau die richtige Struktur: Wir können niederschwelliger und mit weniger Hürden ein Angebot auf die Beine stellen und durchführen.» Zum Beispiel die Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine. Die GGG lancierte rasch ein Programm für Gastfamilien, aber auch Sprachkurse. Das Wissen ist da, die Kompetenz auch – und, mit den Freiwilligen, auch das Personal.
Dennoch: Geld bleibt zentrales Thema. Obwohl gut aufgestellt, verfügt die GGG nicht über unlimitierte Ressourcen. Mit einem Umsatz von rund 26,8 Millionen Franken im Jahr 2024 ist die GGG eine gewichtige, aber keineswegs luxuriöse Akteurin der Stadtgesellschaft. Das Eigenkapital von rund 80 Millionen Franken soll nicht angezapft werden müssen; zumal der grösste Teil davon in Liegenschaften steckt, wie etwa dem Schmiedenhof. Dort hat sich übrigens die Kindle-Episode gelöst; wie genau, entzog sich jedoch der Beobachtung. Der ältere Herr ging jedenfalls zufrieden von dannen.
Text & Bilder: Andreas Schwald
GGG BASEL / BIBLIOTHEK SCHMIEDENHOF
Im Schmiedenhof 10
ggg-basel.ch / stadtbibliothekbasel.ch