Wer lässt sich heute eigentlich noch von einer Armbanduhr faszinieren? Was sind das für Menschen, die mitunter viel Geld ausgeben für eine mechanische Uhr, wo doch das eigene Handy die Zeit viel genauer anzuzeigen vermag? Klar ist; es gibt sie, diese Uhren-Fans, und zwar auf der ganzen Welt. Sie bilden eine Community, die sich über Instagram und Facebook austauscht, fachsimpelt, diskutiert, Fachzeitschriften liest, sich an Messen trifft oder gemeinsam Uhrmanufakturen besucht.
Wer jedoch wie ich bislang komplett uhr-frei durchs Leben schritt, betritt bei Oris in Hölstein einen neuen, eigenwilligen Kosmos. Da stehen mechanische Uhren, Chronographen und Kronen, Gangreserven und Lünetten im Zentrum. Paradoxerweise kommt bei mir das Gefühl auf, als wäre die Zeit hier komplett stehengeblieben. Herrlich entspannend ist das und ich ertappe mich dabei, wie mich die Faszination für dieses Kunsthandwerk sehr schnell einholt. Spätestens als ich das kühle Metall einer Oris-Uhr auf meinem Handgelenk spüre, das sanfte Ticken des Uhrwerks höre, den sich im Sekundentakt bewegende Zeiger im Blick. Spätestens als ich realisiere, dass in diesem Wunderwerk der Mechanik unzählige Kleinstteile ineinander spielen, allein um mir die Zeit anzuzeigen, fällt’s mir wie Schuppen von den Augen; so fühlt sich Verliebt-Sein an! Ich möchte dieser kleinen Uhr ewig zuhören, an ihrem Krönchen drehen und mich darob freuen, dass bereits mein Urgrossvater auf diese präzise Mechanik geschworen hatte.
Die Uhrmacherwelt ist ganz, ganz klein. Alexander Seiler, Inhaber Seiler Juwelier
Bitte nicht niesen!
Alexander Seiler, Inhaber der Firma Seiler Juwelier, welche die Maison Oris am Barfi führt, bringt es auf den Punkt: «Die Uhrmacherwelt ist ganz, ganz klein» sagt er. Und genauso erlebe ich es bei Oris in Hölstein. Die sehr sauberen, sehr ruhigen Arbeitsplätze der Uhrmacherinnen und Uhrmacher beschränken sich auf ein Tischchen in Augenhöhe, auf dem mit Lupe vor dem einen Auge hunderte von Federchen, Zahnrädchen und Schräubchen mit ruhiger Hand zusammengebaut werden. «Bitte nicht niesen!» meint ein junger Uhrmacher lapidar, als ich mich seinem Tisch nähere. Er revidiert gerade die Uhr eines Kunden. Rund vier Stunden dauere es, das ganze Uhrwerk auseinanderzunehmen. Dann werden sämtliche Einzelteile in einem Ultraschallbad gereinigt, neu geölt und wieder zusammengefügt, die Funktionen überprüft die Ganggenauigkeit optimal einreguliert und kontrolliert.
Ob Uhrmacher sein Traumberuf sei, will ich von ihm wissen. «Eigentlich wollte ich Automechaniker werden», grinst er, der bereits bei Oris seine Ausbildung gemacht hat. Er scheint mit der Feinmechanik nun aber sehr im Reinen zu sein. Immer wieder staune ich ob der stillen Konzentration der Mitarbeitenden, den Pinzetten und Pinselchen, Schälchen und Gerätschaften auf den Arbeitstischen. Computer, Telefon? Nicht bei den Uhrmachern. Ihr Arbeitsplatz erinnert eher an eine Zahnarztpraxis. Im Übrigen wundere ich mich über die zahlreichen jungen Frauen und Männer, die sich offenbar bis heute für die Ausbildung in der einzigen Uhrmacherschule der Deutschschweiz, in Grenchen, entscheiden. Die mechanische Uhr erlebt offensichtlich nach der Quarzkrise der 70er Jahre eine neue Blütezeit.
Aus dem Baselbiet für die ganze Welt
In den 60er Jahren produzierten bei Oris 800 Mitarbeitenden rund 1,2 Millionen Armbanduhren und Wecker pro Jahr. Das Unternehmen gehörte damals zu den zehn grössten Uhrenfirmen der Welt. Seither hat sich die Industrie gewandelt. Die Quarzuhr deckt heute den Massenbereich ab, die mechanische Uhr wurde zum Liebhaberobjekt. Aktuell arbeiten rund 80 Mitarbeitende in Hölstein, knapp über 200 Mitarbeitende hat Oris weltweit. Nicht mehr alle Komponenten werden in Hölstein gefertigt, Oris arbeitet mit Schweizer Zulieferern und Partnern. Dennoch; jede Oris, die irgendwo auf der Welt verkauft wird, liegt mindestens einmal bei einem Uhrmacher in Hölstein auf dem Tisch. Bei meinem Besuch werden Uhren für Asien, Frankreich und Grossbritannien für den Versand bereit gemacht.
Verkauft werden die Uhren seit 2016 auch in exklusiven Oris-Stores. Den Anfang machte der Oris Flagshipstore in Basel, betrieben von Seiler Juwelier, der den ehemaligen Laden von Juwelier Oscar Henzi übernommen hatte. «Wir wollten etwas für jüngere Leute machen», erzählt Alexander Seiler, der jahrelange Erfahrung in der Uhrenbranche hat. «Ich wollte zudem etwas lokales – da bot sich Oris an. Die Menschen schätzen es, dass wir hier eine unabhängige Baselbieter Marke aus einer familiengeführten Firma haben.»
Faszination mechanisches Uhrwerk
Doch natürlich; bloss um die Zeit abzulesen kauft sich heute niemand mehr eine Uhr. Man muss schon etwas vernarrt sein in diese filigrane Mechanik und in die Tatsache, dass man hier auch hin und wieder selbst Hand anlegen muss. Mit einer durchschnittlichen Gangreserve bleibt eine Uhr, sofern sie nicht getragen wird, nach rund 40 Stunden nämlich stehen und muss wieder aufgezogen werden. Erstaunlicherweise haben jedoch weder das Mobiltelefon noch die Smartwatch etwas an der Liebe zum mechanischen Uhrwerk geändert. Die Klientel von Oris ist dieselbe geblieben.
Wir möchten den Leuten die Welt von Oris zeigen, sind offen für alle. Inklusiv – nicht exklusiv. Silvia Vuillemin, Store Manager Maison Oris
Nun könnte man sich natürlich denken; wer eine Oris besitzt, die ein Leben lang hält und danach ein dankbares Erbstück darstellt, wird vermutlich zukünftig kein sehr guter Oris-Kunde mehr sein. Fehlanzeige, wie ich in Basel erfahre. «Es gibt viele Kundinnen und Kunden, die mehrere Oris-Uhren besitzen, richtige Fans», erzählt Silvia Vuillemin, Store Managerin der Maison Oris. «Man tauscht sich aus über Instagram, fachsimpelt und engagiert sich in den Oris Social Clubs. Gewisse Sammler kaufen sämtliche Limited Editions, um sie zu Hause in ihren Wohnzimmern schön zu präsentieren.»
Tatsächlich ist es sehr verführerisch, sich in dem ehrwürdigen Häuschen am Barfi umzusehen. Hier fühlt man sich sofort willkommen, bekommt einen feinen italienischen Espresso und eine herzerwärmende Beratung, kann aber auch einfach in Ruhe ein wenig gucken. So ist die Maison Oris denn auch mehr als ein Geschäft, in dem man in die Uhr-Welt abtauchen kann. Selbst ein Apéro mit Freunden oder ein geschäftliches Meeting im Vintage-Raum mit über zweihundert Jahre alter Deckenmalerei sind hier möglich – auch wenn man ansonsten gar nichts mit Oris zu tun hat. «Oris kann man auch ohne Kauf erleben», bestätigt Silvia Vuillemin. «Wir möchten den Leuten die Welt von Oris zeigen, sind offen für alle. Inklusiv – nicht exklusiv.» Einer der Punkte, die Oris von vielen anderen Luxusmarken abhebt und sie so sympathisch macht. Ich meinerseits weiss bereits genau, welches Ührchen dereinst an meinem Handgelenk ticken soll. Die Faszination Uhr hat mich definitiv erreicht.
Bodenständig, individuell und nachhaltig
Oris ist seit 1904 in Hölstein im Baselbieter Waldenburgertal beheimatet. Seit über 30 Jahren verzichtet das Unternehmen auf Quarzwerke und setzt konsequent auf klassische Mechanik. In einer Luxuswelt, die geprägt ist von grossen Konzernen, hebt sich Oris deshalb – auch in der Preispolitik – deutlich von anderen Uhrenmarken ab.
Nachhaltigkeit ist bei Oris ein grosses Thema. Seit 2021 ist das Unternehmen offiziell klimaneutral, seit vielen Jahren engagiert es sich für den Schutz des Lebensraums Wasser, indem regelmässig limitierte Uhren zur Unterstützung diverser Naturschutzprojekte auf den Markt gebracht werden. So setzte sich Oris bereits für den Erhalt des Wattenmeers oder des Great Barrier Reefs ein. Als Hauptsponsor vom Floss-Festival in Basel wird Ende August eine «Change for the Better» Aktion mit einem Clean-up am Rhein durchgeführt.
Neben schlichten Retro-Designs findest du bei Oris auch technische Wunderwerke mit Funktionen wie 10-tägiger Gangreserve, Höhenmeter, zweiter Zeitzone, Mondphase oder Businesskalender mit Wochentag, Datum, Kalenderwoche und Monat – alles über eine einzige Krone einstellbar. Die Preise für eine Oris beginnen bei unter 2000 Franken. Inklusiv statt exklusiv – dieses Motto zieht sich bei der bodenständigen, sympathischen Marke Oris durch sämtliche Bereiche.