«Nase: Trotz hefebedingter Reifenoten, vorherrschende frische Frucht. Insbesondere (grüner) Apfel, dazu leicht nussige Ankläge. Gaumen: Fülliger Auftakt, fruchtige Süsse, Gaumen erstaunlich fruchtbetont (frischfruchtig, grünlich), aber trotzdem mit Schmelz.» So hört sich der Originalbeschrieb des Basler Schaumweins der Brüder Tobias und David Buser an. Ich konnte ihn bis jetzt zwei Mal verkosten und viel treffender kann man den «Charakterkopf», wie sie ihren Schaumwein nennen, nicht beschreiben.
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Eine Stadtbrennerei im Hinterhof der Clarastrasse
Aber beginnen wir chronologisch. Im Oberwallis, nahe dem kleinen Dorf Varen, befindet sich die sonnenverwöhnte Terrassenlage «Tschalibani» von Mario Chanton. Mit viel Leidenschaft winzert Mario bereits in der dritten Generation über insgesamt sieben Hektar. Die Brüder Buser sind mit Mario nicht nur gut befreundet, Tobias absolvierte bei ihm auch ein Jahr seiner insgesamt dreijährigen Winzerausbildung.
2015 produzierten sie ihren ersten Schaumwein aus 50% Pinot noir und 50% Chardonnay Trauben nach der «Méthode traditionelle», was nichts anderes bedeutet, als aufwändige Flaschengärung. 2017 begannen sie unter dem Namen Stadtbrennerei/Stadtkelter im Hinterhof an der Clarastrasse operativ tätig zu werden. Nebst dem Schaumwein produzieren sie den eigenen «Packs Wodka» aus Getreide und den Getreidebrand namens «Säemann» aus biologischem Weichweizen.
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Zwei Charakterköpfe produzieren Hochprozentiges mit Charakter
Dass man gemeinsam stärker ist, haben sie schon lange erkannt, denn des Weiteren haben sie einen Tresterbrand, auch «Marc» genannt aus Heida-Trester, ebenfalls in Zusammenarbeit mit Mario Chanton im Angebot. Mit dem Restaurant Afghan Anan in Zürich lancierten sie einen Mohngeist, sowie einen Doppelwacholder in Zusammenarbeit mit Michael Schneider von «The Seventh Sense». Ihre Kreationen bleiben auch nicht unverkannt, an der letzten Ausgabe der Distisuisse wurde der zusammen mit Ueli Bier ins Leben gerufene «Kleinbasler Bierbrand» mit Gold ausgezeichnet. Dass sie unglaublich gerne tüfteln zeigt sich weiter am «Gentleman’s Gin», bei welchem sie für die gesamte Rezepturentwicklung verantwortlich zeichnen. Und beim «Gryff Gin» kümmern sie sich um die Distillation. An ihrem – sagen wir mal – Labortisch, welchen man auf dem Bild sieht, möchte man sich sofort hinsetzen und mitentwickeln, so spannend kommt dieser daher.
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Aber zurück zum perlenden Glück. Der Umstand ist perfekt, denn just an dem Tag, an welchem ich sie besuche, steht das Enthefen der zwischen 1000 bis 1500 Schaumweinflaschen des Jahrgangs 2016 an. So viel produzierten sie auch bereits ein Jahr zuvor. Der Aufwand ist nicht ohne. Sämtliche Arbeitsschritte von A-Z sind Handarbeit. Nach der Traubenlese wird der Grundwein in der Kelter in Visp hergestellt. Bei der rund zweijährigen Lagerung auf Feinhefe entsteht die gut eingebundene Kohlensäure, auch feine Perlage genannt.
«Gutes braucht Zeit!»
Ihr Motto lautet: «Gutes braucht Zeit» und so setzen sie beim Grundwein auf langsame Spontangärung und halten sich mit technischen Eingriffen komplett zurück. Nach diesem langen Reifelager und einigem «Umziehen» erfolgt das Abfüllen in die Flaschen und die Reise nach Basel in ihre Stadtkelter. Dies markiert den Start der zweiten Flaschengärung.
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Hochwertige Wässerchen im Entstehungsprozess
Auf dem sogenannten Rüttelbrett liegen die Flaschen zuerst einmal für eine Woche relativ horizontal. Während weiterer drei Wochen wird jede Flasche einmal pro Tag von Hand gedreht und langsam immer steiler gestellt. Diesen Schritt nennt man Remuage und er bewirkt, dass sich die Hefe als kompakter «Propfen» am Ende des Flaschenhalses sammelt. Die weiteren massgeblich wichtigen Verfahrensschritte bestehen neben dem Enthefen aus dem Zufüllen und Verkorken. Das hierfür unentbehrliche Drahtgitter dient als Schutz, damit sich der Korken nicht ungewollt lösen kann. Das Enthefen geschieht mit einer Art langstieligem Flaschenöffner. Mit ihm wird der Kornkork geöffnet und das Hefedepot schiesst durch den während der Flaschengärung entstandenen hohen Innendruck von über 6bar aus dem Flaschenhals. Somit ist die Flasche nun klar und soweit trinkbereit.
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Der Gott der Freude in der Flasche
An einem altertümlich anmutenden Gerät, der sogenannten «Doseuse» mit Jahrgang 1940, welche sie direkt aus der Champagne importiert haben, wird nun der entstandene Verlust mit bereits klarem Schaumwein aufgefüllt. Auf eine sogenannte Versanddosage wird verzichtet. Diese wäre dafür da, den gewünschten endgültigen Zuckergehalt (extra Brut, Brut usw.) einzustellen. Zum Ende erhält die trinkfertige Flasche noch ihren typischen Korken in Pilzform und das übliche Drahtgitter. Jetzt fehlt nur noch die Etikette. Auf dieser ist vorne der «Charakterkopf», abgeleitet von Dionysos, Gott der Freude, der Trauben, der Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und der Ekstase, zu sehen und hinten alle wichtigen, nüchternen Informationen. Das Papier der Etikette wird in der Manufaktur der Basler Papiermühle nach klassischem Verfahren hergestellt.
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Was für eine Arbeit, was für ein Ergebnis!
Vielen Dank Tobias, David, Mario und allen anderen Helfern für den äusserst spannenden Einblick und die perlend-mundende Gaumenfreude!
Stadtbrennerei/Stadtkelter
Clarastrasse 11
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