Kommst du nach Basel, ist der Zoo noch vor dem Bahnhof angeschrieben. Scheint ein begehrter Ort zu sein. Dabei stellt sich die Frage: Ist so ein Tierpark nicht etwas retro? Die Themen unserer Zeit heissen doch Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz… «Absolut!», bestätigt Nina Decrue, Naturschutzbeauftragte des Zoo Basel. Und erklärt uns, wie eng das Betreiben des Zollis mit dem Schutz gefährdeter Ökosysteme zusammenhängt.

Selten habe ich in so kurzer Zeit so viel gelernt, wie an diesem Treffen mit Nina Decrue im Zolli. Nina ist hier die Naturschutzbeauftragte, denn der Naturschutz ist einer der Grundpfeiler des Basler Zoos. 13 Projekte unterstützt der Zolli aktuell weltweit und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Schutz und Erhalt gefährdeter Tierarten und ihren Lebensräumen. Kritische Köpfe mögen an dieser Stelle die Stirn in Falten legen – Elefanten, Löwen, Kängurus inmitten der Stadt, was hat das mit deren Schutz zu tun? «Aufgrund der Tatsache, dass wir Menschen uns immer mehr ausbreiten, sind viele Tierarten im Freiland äusserst stark bedroht. Mit den international koordinierten Erhaltungszuchtprogrammen übernehmen wissenschaftlich geführte Zoos wie der Zolli Verantwortung und tragen zum dringlichen Schutz der Wildtiere auf der ganzen Welt bei. Ohne die Haltung von Tieren in Zoos können wir diesen Auftrag nicht erfüllen», erklärt Nina Decrue und ergänzt: «Auch in der Natur sind die Tiere nicht ‹frei›. Sie leben ebenfalls in begrenzten Lebensräumen, die durch andere Territorien, Flüsse oder Nahrungsverfügbarkeiten gegeben sind. Viele Menschen haben dieses ‹romantische Bild› der Natur im Kopf. Die Natur ist aber nicht romantisch. Sie kann auch brutal sein. Es wird gekämpft und getötet.»

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Die Natur ist nicht romantisch. Es wird gekämpft und getötet.

Nina Decrue ist Biologin. Ihre Masterarbeit hat sie im Zoo Basel zum Verhalten der Strausse gemacht. Ihre Leidenschaft jedoch gilt den Meeresbewohnern. Das Vivarium ist ihr zweites Zuhause, ihre Passion. «Ein Spaziergang durch das Vivarium erdet mich komplett. Das ist wie Waldbaden», grinst sie. Schon als Kind war sie vom Zoo fasziniert. «Der Kontakt zwischen Mensch und Tier ist essentiell. Gerade in einer Stadt», ist Nina überzeugt. «Da gibt es ganz viele Aha-Erlebnisse. Zudem sehe ich jeden Tag strahlende Gesichter. Und genau das ist es, was wir wollen: Die Leute über die Begeisterung zu den Tieren abholen. Weil wir bekanntlich nur das schützen, was wir kennen und lieben.»

 

Von neugierigen Hai-Babys und frechen Kraken

Dann holt sie aus ihrer grossen Tasche eine kleine Schachtel mit seltsamen Objekten. Und entführt mich in eine mir bis dato komplett fremde Welt. Die Gebilde sind Hai-Eier. Das eine sieht aus wie eine Schraube und stammt von einem Stierkopfhai. «Das Weibchen nimmt das Ei in den Mund und drückt es in eine Felsspalte», erklärt Nina. «Durch die Schraubenform verhakt es sich und wird so nicht verdriftet. Der junge Hai bleibt bis zu seinem Schlupf gut geschützt in seinem Ei.» Ein anderes Ei, das vom Kleingefleckten Katzenhai, sieht ein wenig aus wie eine Bohnenschote. «Das Vivarium ist eigentlich ein Zoo im Zoo», erklärt Nina. «Hier findest du Dreiviertel aller Tierarten und entdeckst unglaubliche Anpassungen und Lebensformen.»

Sie erzählt mir von Fischen, die das Geschlecht wechseln können, von Maulbrütern, die ihre befruchteten Eier zum Schutz vor Feinden im Mund aufbewahren, vom Mondfisch, der pro Laichvorgang bis zu 300 Millionen Eier legen kann und von Korallen, die sich geschlechtlich und ungeschlechtlich vermehren. Und sie zeigt mir das Zuhause des Oktopus. «Du findest ihn immer da, wo die Muschelschalen und Schneckenhäuser liegen. Oktopusse, auch Kraken genannt, spielen gerne und deponieren ihre Spielsachen am gleichen Ort. Mir hat mal ein Krake heimlich meinen Fingerring geklaut. Die Tiere sind sehr intelligent, können auch Schraubverschlüsse öffnen. Dabei müssen sie sich all ihr Wissen allein aneignen; Oktopusse vermehren sich nämlich nur einmal im Leben. Kurz nach der Fortpflanzung sterben sie und überlassen ihre Nachkommen sich selbst.»

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Nina zeigt mir die Zuchtbecken der Katzen- und Stierkopfhaie in den rückwärtigen Diensten des Vivariums. Ein kleiner Stierkopfhai schwimmt sofort zu uns an den Rand des Beckens. «Du bist aber neugierig», lacht Nina. Haben Fische Persönlichkeiten? «Klar! Es gibt freche, schüchterne oder eben auch neugierige wie diesen hier», schmunzelt Nina. Auf einer Ablage über einem Becken liegt eine Languste. Rot-orange in ganzer Pracht, dabei seltsam leicht. «Die hat sich gehäutet», erklärt uns ein Tierpfleger. «Während des Wachstums wird den Tieren der Panzer immer mal wieder zu eng. Dann schlüpfen sie raus und verstecken sich in den Felsen, bis der neue, grössere Panzer nachgewachsen ist und sie wieder vor Feinden geschützt sind.»

 

Der Kontakt zwischen Mensch und Tier ist essentiell. Gerade in einer Stadt.

Naturschutz und Bildung an erster Stelle 

Es gibt unheimlich viel zu sehen und zu staunen im Vivarium und auch in den Räumen dahinter. Eine verrückte Unterwasserwelt inmitten der Stadt ist das hier mit unendlich vielen wundersamen Geschichten und Geheimnissen. Und plötzlich wird mir ganz anders beim Gedanken an den Zustand der Weltmeere. «Dem Meer geht es schlecht», bestätigt Nina. «Und auch wir als Nicht-Küstenbewohner haben mit unserem Verhalten einen direkten Einfluss darauf. Mit unserem undifferenzierten Fischkonsum oder mit dem, was wir hier ins Wasser schütten; Mikroplastik, Chemikalien, Industrie-Abwasser – alles fliesst ins Meer. Wertschätzung und eine nachhaltige Nutzung der Meere sind die Antworten.» Der Zoo Basel unterstützt mit seinem Naturschutzfonds gleich zwei Meeres-Projekte. Beim einen werden auf Sansibar Korallenriffe aufgeforstet und nachhaltige Badeschwämme produziert. Das zweite Projekt unterstützt das effektive Management von Meeresschutzgebieten im Mittelmeer.

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Diese und sämtliche weiteren Naturschutzprojekte des Zoo Basel werden unter anderem durch den freiwilligen Naturschutzfranken finanziert, den die Zolli-Besuchenden mit dem Ticketkauf entrichten können. «Naturschutz und Bildung haben bei uns im Zoo oberste Priorität», erzählt Nina. Darum reitet heute auch niemand mehr auf Elefanten durch den Zolli oder rennt den Zwerggeissen in ihrem Gehege hinterher. Weil es eben darum geht, Respekt vor den Tieren und der Natur zu vermitteln. Und diese Botschaft geben alle Zolli-Mitarbeitenden tagtäglich an die Besucherinnen und Besucher weiter. Damit sie erkennen, wie gefährdet viele Tierarten und deren Lebensräume sind. In grossen Buchstaben wird dieser Auftrag bereits beim Zoo-Eingang auf den Punkt gebracht: Hier können Menschen «erleben, was es zu bewahren gilt».