Bereit für eine kleine kunsthistorische Auffrischung? Es geht um den Impressionismus, und da haben wir ja einst gelernt: Das war eine Bewegung innerhalb der Malerei in Frankreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Claude Monets Gemälde «Impression – soleil levant» von 1872 gab ihr den Namen, aber schon früher wurde von anderen Künstlern das Licht auf eine Weise auf die Leinwand gebracht, die den Bildern – oftmals Landschaften – eine ganz besondere, intensive Atmosphäre verlieh. Dem zugute kam auch die Erfindung von industriell gefertigen Ölfarben in verschliessbaren Tuben – mit ihnen konnten die Künstler neu mitten in der Natur malen.
Jemand, der den Impressionismus massgebend prägte, war Camille Pissarro. Nie gehört? Dann wird es Zeit, dir die neue Ausstellung im Kunstmuseum Basel anzusehen. Pissarro war nämlich ein überaus interessanter, begnadeter und sympathischer Mann und wird absolut zu Unrecht bei der Nennung berühmter Impressionisten gerne vergessen. Als Sohn jüdischer Eltern wurde er 1830 auf der Karibik-Insel St. Thomas, damals eine dänische Kolonie, geboren und wuchs auf zwei Kontinenten auf. Er sprach Französisch, Englisch und Spanisch und lernte schon als Kind ethnische und kulturelle Vielfalt kennen. Kein Wunder also, war seine Perspektive und seine Weltanschauung offener und integrativer als diejenige seiner Kolleginnen und Kollegen.
«Wir kommen vielleicht alle von Pissarro. Er hatte das Glück, auf den Antillen geboren zu werden, dort hat er das Zeichnen ohne Meister gelernt. Das hat er mir alles erzählt. Im Jahre 65 schloss er bereits Schwarz, Bitumen von Judäa, Terra di Siena und die Ockertöne aus. Das ist eine Tatsache. Male immer nur mit den drei Primärfarben und ihren direkten Derivaten. So sagte er mir. Der erste Impressionist, ja, das ist er.» (Paul Cézanne)
Pissarro schenkte als einziger Impressionist nicht nur der Landschaft, sondern auch der menschlichen Figur viel Aufmerksamkeit. Dabei war ihm die Darstellung des einfachen Lebens und der ländlichen Bevölkerung ein zentrales Anliegen. Seinem Ansehen und seinen Finanzen war dies natürlich nicht zuträglich – die kaufkräftige Klasse der Bourgeoisie sah sich nämlich lieber selbst an der Wand hängen, in Abbildungen des einfachen Lebens mochte niemand investieren. Trotzdem wich Pissarro nicht von seinen Grundsätzen ab. Es ging ihm nicht um Geld. Es ging ihm darum, die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Zustände seiner Zeit kritisch zu reflektieren.
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Doch Camille Pissarro war kein verbitterter, einsamer Kämpfer – im Gegenteil. Er war ein Menschenfreund und arbeitete eng mit seinen Zeitgenossen zusammen. Als Freund und Mentor pflegte er einen intensiven Austausch zu Künstlern wie Cézanne, Monet, Gauguin oder Degas. Er förderte ihr Potenzial und lernte von ihnen. Die Ausstellung im Kunstmuseum zeigt denn auch mehr als einen Überblick über Pissarros Schaffen; sie legt das Augenmerk auf seine Zusammenarbeit mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern und erzählt eine Geschichte jenseits des kunsthistorischen Mainstreams.
Die Ausstellung «Camille Pissarro. Das Atelier der Moderne», ist noch bis am 23. Januar 2022 im Kunstmuseum Basel (Neubau) zu sehen.
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Das Kunstmuseum Basel besteht aus drei Häusern: Dem Hauptbau, der hauptsächlich die Sammlung bis zur Klassischen Moderne beherbergt, dem Neubau, in dem die grossen Sonderausstellungen ihren Platz haben, und dem Gegenwart, dem Ausstellungshaus für Gegenwartskunst.