Rund 500 Menschen weltweit liegen derzeit kryokonserviert in einem Tank mit flüssigem Stickstoff. Sie haben viel Geld dafür bezahlt, dass jemand ihren Körper einfriert, das Blut durch Frostschutzmittel ersetzt, den Körper lagert und sobald Wissenschaft und Medizin soweit sind, wieder zum Leben erweckt. Die Forschung arbeitet daran, den Alterungsprozess zu verlangsamen oder gar umzukehren. Bereits in wenigen Jahren dürften die ersten Medikamente gegen das Altern erhältlich sein. Derweil lassen sich die Menschen zugunsten der Jugendlichkeit operieren – weit über 30 Millionen schönheitschirurgische Eingriffe werden weltweit jährlich verzeichnet.
Drängende Fragen unserer Zeit kunstvoll und aufwändig inszeniert
Das Altwerden hat offensichtlich keinen guten Ruf. Doch wann ist eigentlich genug gelebt? Ist Unsterblichkeit ein Ziel? Wer kann sich ein ewiges Leben leisten? Und: Reichen die Ressourcen dieses Planeten überhaupt aus, um sämtliche alterslosen Menschen zu ernähren? Solche und weitere Fragen werden in der aktuellen Ausstellung «The End of Aging» von Michael Schindhelm in der Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G aufgeworfen. Michael Schindhelm? Kennst du vielleicht noch von seiner Zeit als Direktor und Intendant des Theater Basel. Das war von 1996 bis 2006. Der Schriftsteller, Filmemacher und Kurator hatte einst in der ehemaligen Sowjetunion Quantenchemie studiert und im Zentralinstitut für Physikalische Chemie in Ost-Berlin gearbeitet – das erklärt seine Offenheit gegenüber komplexen wissenschaftlichen Themen, die er nun in dieser Ausstellung spektakulär inszeniert.
Gegenüber des Unispitals betrittst du ein stillgelegtes Krankenhaus. Das Licht flackert und sirrt, Deckenpaneele fehlen, Kabel hängen herunter. Der Boden ist vergilbt, fleckig, schimmlig, voller Tropfen unbekannter Herkunft. An den Wänden: defekte Bildschirme, Röntgenbilder, Zertifikate, Tags. «Why live longer when the planet is dying?», steht da. Oder: «Never sleep cuz sleep is the cousin of death!!!» Willkommen in der alternativen Realität, in der das Altern abgeschafft wurde. Wenn es keinen biologischen Tod mehr gibt, braucht es auch keine Krankenhäuser mehr. Hast du die Türe neben den Leichensäcken einmal passiert, stehst du in einem Korridor. Ockerfarbenes Licht gibt die Sicht auf vielen weitere Türen frei. Im einstigen Kontrollraum, im Operationssaal und im Labor kannst du weitere Perspektiven auf das Leben entdecken. Am Ende legst du dich im Aufwachraum auf ein Krankenhausbett und hörst dir an, was heutige Forscherinnen und Forscher zum Thema Altern zu sagen haben.
Dystopisch, spektakulär, überwältigend
Vom ersten bis zum letzten Raum: Diese Ausstellung ist überwältigend. Berauscht wandelt man durch diese dystopische Welt, wird überrollt von einer Welle an futuristischen Szenarien biomedizinischen Fortschritts. Es ist bewegend, aufwühlend und auch erschütternd, Schindhelms Blick in die Zukunft der Langlebigkeit zu folgen. Es geht schliesslich um nichts anderes als um den Tod und die Angst vor dem unausweichlichen Ende. Denn: Ist es wirklich sinnvoll, die biologische Uhr umzuprogrammieren? Ist nicht das Wissen um die eigene Endlichkeit einer der wichtigsten Antriebe des Menschseins? Ist das Leben nicht allein deshalb so grossartig, weil es irgendwann vorbei ist? Fragen, die auch du dir stellen wirst auf deinem Rundgang durch diese lange nachhallende Ausstellung.
THE END OF AGING
Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G
Noch bis am 21. Juli 2024
kbhg.ch
Täglich geöffnet (ausser Dienstag) von 11 bis 18 Uhr.
Eintritt sowie Katalog sind kostenlos.
Entdecke auch das Rahmenprogramm!
Die 2018 gegründete Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G stellt der Stadt Basel ein neues, einzigartiges Forum für Kunst- und Kulturschaffen zur Verfügung.