Am Dreispitz gibt es ein kleines Zirkusunternehmen mit mehreren Wohn- und Arbeitsplätzen. Solvejg, Nina und Valentin erzählen von der Entstehung des Station Circus und weshalb sie mit ihrem Zirkus Fahraway seit 15 Jahren durch Europa touren.

Zwischen Tramdepot, Trammuseum und Anlaufstelle der Suchthilfe, im Schatten des monströsen Neubaus «Syd» am Dreispitz befindet sich ein charmantes, unkonventionelles Zwischennutzungs-Areal, das von drei zirkusvernarrten Menschen und etlichen Gleichgesinnten bewohnt und bespielt wird. Als Veranstaltungsort für zeitgenössisches Zirkusschaffen haben Valentin Steinemann, Solvejg Weyeneth und Nina Wey 2014 «Station Circus» gegründet.

Texten, komponieren, Lastwagen fahren, proben, Zelt aufbauen, Requisiten herstellen, trainieren, kochen, Tournee organisieren ... Valentin, Nina und Solvejg (von links) lieben ihren abwechslungsreichen Zirkusalltag.

Kennengelernt haben sich die Drei im Zürcher Jugendzirkus Chnopf. Valentin war damals in der Lehre zum Metallbauer und absolvierte beim Zirkus seinen Zivildienst. Nina und Solvejg waren noch in der Schule. 2008 hatten sie die Idee, den Sommer hindurch mit einem kleinen Programm gemeinsam durch die Schweiz zu ziehen. «Wir nannten uns Fahraway und machten rund 45 Minuten Livemusik und Artistik, ein Spektakel unter freiem Himmel», erinnert sich Valentin. Das Programm kam an und im Folgejahr studierten sie ein neues ein.

«Irgendwann fragten wir uns: Sind wir jetzt ein Zirkus oder nicht?» Nina Wey

«So ging es weiter. Bis heute», schmunzelt Solvejg. Neben den Sommertourneen absolvierten sie und Nina eine Zirkusschule, Valentin beendete seine Lehre und machte eine Theaterausbildung in Paris. «Irgendwann fragten wir uns: Sind wir jetzt ein Zirkus oder nicht? Und wenn ja – wo wohnen wir?», erzählt Nina. Sie suchten sich einen festen Platz und fanden den Ort am Dreispitz. «Und auf tutti.ch ein Zirkuszelt», grinst Valentin. So ist durch das Projekt Fahraway das Projekt Station Circus entstanden. Heute stehen auf dem Platz zahlreiche Wohnwägen, ein Tiny House, ein alter Bus, der als Küche und Esszimmer dient, ein antikes Tram, ein Barwagen, der auch eine Crêperie ist, eine Werkstatt, eine kleine Trainingshalle, auf der das Dach der ehemaligen Kuppel thront, ein Traktor und aktuell zwei Zirkuszelte. Dazwischen spriessen Pflanzen aus Metalltonnen und Europaletten, eine Katze schleicht herum und aus irgendeinem Wagen erklingt wahlweise ein Akkordeon, eine Trompete oder ein Kontrabass – ein verrückt sympathisches, kunterbuntes Durcheinander und vor allem Miteinander ist das hier.

«Insgesamt acht Leute haben bei uns ihren festen Wohnsitz», erzählt Valentin. «Die meisten arbeiten im Zirkusbereich, wir haben aber auch einen Psychologen, einen Mathematiker und eine Kindergärtnerin, die hier leben.» Nina ergänzt: «Auch sie sind Teil des Projektes. Die Kindergärtnerin zum Beispiel ist unsere Bar-Chefin, der Psychologe ist unser Fotograf und IT-Supporter.» Zudem arbeiten immer wieder Residenzgäste auf dem Platz, der so das ganze Jahr über belebt ist, auch wenn Valentin, Solvejg und Nina gerade auf Tour sind. Und auf Tour werden sie bald schon wieder sein. Aktuell sind sie nämlich in den letzten Vorbereitungen für ihr neues Stück «Elefant».

Seit Monaten bauen, komponieren, texten, tüfteln und trainieren die drei für die neue Produktion. Doch warum diese Mühen, wenn sie sich auch einfach von einem Zirkus engagieren lassen könnten? «Weil wir Macherinnen und Macher sind. Hier können wir unsere Vision einbringen. In einem Zirkus sind wir bloss Interpreten», erklärt Solvejg. Und Valentin ergänzt: «Ich finde es auch nach 15 Jahren noch cool, auf Open-Air-Tour zu sein. Es ist ein wenig wie ein konstantes Pfadilager. Das muss man natürlich mögen – aber für mich ist es das Grösste!»

 Das neue Stück «Elefant» ist vom 16. November bis am 8. Dezember 2024 beim Station Circus zu sehen - und im Sommer 2025 Open Air an diversen Orten in der Schweiz. Bilder: Tilman Pfaefflin

Elefant

Ein paar Kilo Metall, Instrumente, Holz und Wolle. «Elefant» ist ein ungewöhnliches Zirkus-Stück, das zwischen nachdenklichen Momenten und herzerwärmendem Humor balanciert. Der Elefant im Zirkus hat ausgedient. Doch dieser gutmütige, absurde und beinahe ausserirdisch anmutende Riese verkörpert den tollkühnen Geist des Zirkus. So ist auch «Elefant» gross, aussergewöhnlich, roh, ein bisschen Risiko und doch auch fein, sanft und anmutig.

Vom 16. November bis 8. Dezember 2024 im Station Circus an der Münchensteinerstrasse 103

zirkusfahraway.ch