Wenn du deinen Fernsehabend hin und wieder bei unseren deutschen Nachbarn auf ARD und ZDF verbringst, dann hast du das Jungtalent Lukas Nathrath bestimmt auch schon mal gesehen. Egal ob «Unter Verdacht», «Der Alte» oder «SOKO München» – Lukas Nathrath liess nichts aus. Meistens spielte er den fiesen, kriminellen Typen, den Bösewicht, den Mörder. «Antihelden sind einfach die spannenderen Charaktere», erklärt der erst 29-jährige Deutsche verschmitzt. Da muss er wohl ganz schön gut schauspielern können, denn wir haben Lukas Nathrath nur von seiner sympathischsten und gewinnendsten Seite kennengelernt.
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Seine zukünftige Karriere sieht er aber vermehrt hinter der Kamera. An der Hamburg Media School absolvierte er sein Master-Studium in Filmregie, mit seinem Abschlussfilm «Kippa» hat er bislang 20 Filmpreise gewonnen und an 50 Filmfestivals teilgenommen. Kein schlechter Start für einen Regie-Neuling. Nun kehrt Lukas Nathrath seiner Heimat Deutschland erstmal den Rücken zu und verbringt ein paar Monate in der Filmmakers' Residency im charmanten Gerbergässlein. Hier im @Filmhaus Basel kümmert sich der Verein für die Förderung der Begeisterung am bewegten Bild (VFBbB) nicht nur ums jährlich stattfindende Gässli Film Festival, sondern auch um den Filmnachwuchs aus aller Welt. Neben einer separaten Wohnung und Arbeitsplätzen im Haus stellt der Verein Lukas Nathrath vor allem auch seine geballte fachliche Kompetenz zur Verfügung. Der Basler Filmemacher Giacun Caduff und Theater- und Drehbuchautor Christof Hofer fungieren mitunter als seine Sparring-Partner und sorgen mit ihrer Kreativität, ihrem Elan und ihrer Erfahrung für viel Inspiration.
Das Vorbild aus Südkorea
Tatsächlich hat es Lukas Nathrath bislang noch nie in unsere schöne Stadt verschlagen. «Als ich im März hier angekommen bin, war ich überrascht und begeistert von der Weltoffenheit und der Vielfalt der Stadt. Basel ist weder engstirnig noch einseitig, wie es sonst über manche Teile der Schweiz gesagt wird. Ich fühle mich sehr wohl hier.» Speziell das @unternehmen mitte als offenes und gleichzeitig ruhiges Stadtcafé mit Kulturgeist habe es ihm angetan. Denn wie sein südkoreanisches Vorbild, der oscarprämierte «Parasite»-Regisseur Bong Joon-ho, könne er zuhause nicht konzentriert arbeiten. «Bong Joon-ho hat einmal gesagt, zuhause würde er nur im Bett liegen und fernsehen. Und in einem Café könne er sich nun einmal nicht einfach auf den Boden legen und schlafen. Mir geht's genau so», sagt Lukas Nathrath und muss laut lachen.
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Der Lockdown als Ansporn
Für sooo viele Nachmittage im Unternehmen Mitte hat's dann allerdings nicht gereicht. Lockdown. Seit Mitte März ist das öffentliche Leben stark eingeschränkt — Lukas Nathrath hätte sich seine Zeit in Basel natürlich etwas anders vorgestellt. «Anfangs hat mir durch den Lockdown die Abwechslung im Alltag gefehlt. Doch bald empfand ich die Situation als Ansporn. Um sich beschäftigen zu können, muss man ja gezwungenermassen kreativ sein. Ich bin froh, während Corona hier zu sein und nicht zuhause. Denn hier werde ich nicht abgelenkt. Basel hilft mir, den eigenen Rhythmus zu finden.»
«Wenn ich nicht mehr weiterkomme, schau ich auf den Rhein und die Kreativität kommt ganz von selbst.» Lukas Nathrath
Lukas Nathrath führt uns zu jenem grünen Bänkli am Kleinbasler Rheinufer unterhalb des Schaffhauserrheinwegs, wo er nun die meiste Zeit des Tages verbringt. Stadtidylle pur. Vor uns der Rhein, den Stadtstrand zu Füssen und auf der anderen Seite die einzigartige Basler Stadtkulisse mit St. Alban-Rheinweg und Basler Münster – nicht schlecht dieser Arbeitsplatz. Wenn er es sich auf diesem Bänkli bequem mache, heisst es jeweils Handy aus und hinein in den magischen Zustand, der ihn in einer kreativen Welt verschwinden lässt. Das habe ihm übrigens Giacun Caduff beigebracht, der ihn zusammen mit dem ganzen Team vom Verein für die Förderung der Begeisterung am bewegten Bild (VFBbB) mit vollem Einsatz betreut. «An einem der ersten kreativen Meetings mit Giacun hat er mir das Handy aus der Hand genommen und gemeint, ich liesse mich zu sehr von der Aussenwelt ablenken. Zwei Tage habe ich dann mein Handy nicht angefasst – es war die produktivste Zeit meines Lebens», gesteht Lukas Nathrath und lacht.
So mache er es nun auch an seinem Rückzugsort am Kleinbasler Rheinufer. Hier zählen nur seine Notizen, seine Filmbücher – und der Rhein. «Ich tüftle stundenlang an meinem Drehbuch. Wenn ich nicht mehr weiterkomme, schau ich auf den Rhein und die Kreativität kommt ganz von selbst. Der kreative Flow, den ich hier hab ist echt einmalig.»
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Psychologischer Thriller oder Altstadt-Krimi?
Wir sind gespannt, was da wohl für ein Filmstoff am Basler Rheinufer entsteht – und ob Basel im Film auch eine Rolle spielen wird. «Ich könnte mir gut vorstellen, hier einmal zu drehen. Ich denke da speziell an das eindrückliche Hafenareal im Klybeck-Quartier, welches durch seinen verspielten Charakter einen besonderen Schauplatz hergeben würde. Ich denke auch an die malerische Altstadt. Die engen, verwinkelten Gassen würden sich perfekt für einen Altstadt-Krimi eignen». Oder eben für einen psychologischen Thriller. Denn daran arbeitet Lukas Nathrath nämlich gerade – und mit spannenden und charakterstarken Antihelden kennt er sich durch seine früheren Rollen in deutschen TV-Serien ja bestens aus.
Ganz nebenbei entstehe aber auch noch ein anderes Projekt, erzählt Lukas Nathrath und sprudelt vor Energie. In einer kreativen Challenge halte er seine täglichen Erlebnisse und Eindrücke hier in Basel mit dem Handy filmisch fest. Um die Atmosphäre in Basel und das gesellschaftliche Leben verarbeiten zu können, fängt er die Ausnahme-Pandemie-Situation der Stadt in einem Videotagebuch ein, zeigt die Stadt einerseits in melancholischer Isolation und andererseits in ihrer verführerischen, unzerstörbaren Schönheit. Diese filmischen Eindrücke teile er mit der Netflix-Regisseurin Anca Miruna Lazarescu, die dasselbe mache, wodurch letztendlich eine Art gemeinsame Dokumentation entstehen soll.
«Ich würde die Stadt gerne noch in ihrem lebendigen und vielfältigen Normalzustand erleben.» Lukas Nathrath
Auch wenn der Lockdown den jungen deutschen Filmemacher bei seiner Arbeit hier in Basel nicht aufzuhalten und in seiner Kreativität nicht zu hemmen scheint, so wünsche er sich natürlich trotzdem, die Stadt noch in ihrem lebendigen und vielfältigen Normalzustand zu erleben: «Wenigstens ein paar Tage meiner Zeit in Basel würde ich gerne noch mit Museumsbesuchen, im Kino oder in meinem Lieblings-Café, dem Unternehmen Mitte, verbringen». Daher erhoffe er sich auch, womöglich noch ein bisschen länger im Filmhaus Basel bleiben zu dürfen wie ursprünglich geplant. Zum Aufenthalt der jungen Nachwuchstalente in Basel gehört es nämlich auch, dass sie ihre eigenen Werke den Vereinsmitgliedern des VFBbB an einem kleinen Filmabend präsentieren dürfen. Es wäre Lukas Nathrath auf jeden Fall zu wünschen.
Noch mehr wünschen wir uns, dass wir den sympathischen Filmemacher auch in Zukunft wieder in Basel antreffen werden. Am Rhein, im Hafenareal im Klybeck oder in den engen, verwinkelten Gassen in der Altstadt Basels – dann aber nicht mit dem Drehbuch in der Hand, sondern mit der Kamera. Uuund Action!
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Basel inspiriert
In der Serie «Basel inspiriert» werden junge nationale und internationale Filmemacher portraitiert, die jeweils für drei Monate die Filmemacher-Residenz im Gerbergässlein bewohnen. Der Verein für die Förderung der Begeisterung am bewegten Bild (VFBbB), der auch das jährlich stattfindende Gässli Film Festival organisiert, stellt seit 2019 die Räumlichkeiten des Filmhaus Basel jungen Filmemachern zur Verfügung und gibt ihnen die Möglichkeit, Basel als Inspiration und Energiequelle für zukünftige Projekte zu nutzen. Der VFBbB bietet den Künstlern Unterstützung und Hilfestellungen im Arbeitsprozess und stellt sein grosses Netzwerk in der regionalen, nationalen und internationalen Filmszene zur Verfügung. Partnerschaften mit Film Festivals, Sponsoren und Fördervereinen unterstützen und ermöglichen den Aufenthalt der jungen Filmemacher in Basel.