Gut gelaunt und voller Leben springt Sam Himself für den Soundcheck auf die Bühne. Hinter ihm: das 20-köpfige Sinfonieorchester Basel. Instrumente werden gestimmt, Positionen optimiert. «Zuletzt noch die Harfe; tönt gut, wir können beginnen», hört man den Tonmeister durchs Mikrofon.
Erster Song: La Paz. Mir kommen direkt die Tränen. Hört sich schnulzig an. Ist aber wahr. So ein verstärktes Orchester, kombiniert mit Sams tiefer, eindringlicher Stimme, das hat echt was. Alleine schon die acht Violinen – wow! Ab und an wird korrigiert; Verstärker runter, dann wieder hoch, «Fippe», der Drummer, «nid abseggle, gäll!», ermahnt Sam freundlich.
Eigentlich habe ich mich auf zwei Stunden eingestellt. Doch nach knapp 30 Minuten fragt der Basler Sänger humorvoll: «Do you mind another Durchlauf of La Paz or do you prefer to chill? No worries, you sounded great, it's mostly for the singer.» So gibts also nochmals eine Runde für Sams verträumten Hit aus dem letzten Jahr, bevor das Orchester die Bühne fast schon unbemerkt wieder verlässt.
«Wenn der Funke vom Publikum auf die Musizierenden zurückspringt, ist es unbeschreiblich. Das kann nur an Live-Konzerten passieren!»Domenico Catalano
Wieso die Probe wahrlich schon fertig ist, was es bedeutet, heute mit Sam auf der Bühne zu stehen und wie man Profimusiker im Sinfonieorchester wird, erzählt mir Bassposaunist Domenico Catalano (34) im anschliessenden Gespräch.
Domenico, das war jetzt aber einekurze Sache …
Ja, wir dachten auch, es würde länger dauern.Aber es sind halt nur vier Songs. Da muss man die Probe nicht künstlich in die Länge ziehen.
Unglaublich, dass ihr heute erst zum zweiten Mal gemeinsam mit Sam geprobt habt. Wann begann die individuelle Vorbereitung?
Ich persönlich habe vor einer Woche zum ersten Mal in die Noten geschaut. Das hört sich vielleicht verrückt-mutig an, doch ist es nicht das erste Mal, dass ich mit dem Arrangeur und Dirigenten Michael Künstle zusammenarbeite. Ich kenne seinen Schreibstil und wusste entsprechend, dass mich keine grossen Überraschungen erwarten werden.
Was ich mich immer wieder frage: Denkt man als Orchestermusiker eigentlich während dem Spielen noch was?
Gedanken mache ich mir tatsächlich nicht viele. Es handelt sich vielmehr um ein sehr aufmerksames Musizieren. Man spielt mit offenen Ohren; hört jeden Ton der Kolleg*innen. Und muss natürlich darauf achten, dass man selbst die Balance hält. Glücklicherweise kommt es im Orchester sehr selten zu schiefen Tönen.
Wie unterscheidet sich das Konzert mit Sam von einem klassischen?Darfst du heute etwas mehr ausbrechen?
Ja, irgendwie schon. Im Vergleich zu einem klassischen lässt man in einem rockigen oder poppigen Konzert kaum Pausen entstehen. Die Spielart muss also angepasst werden. Normalerweise spielen wir auch nicht stehend, sondern sitzend. Dass wir verstärkt werden, ist ebenfalls eine totale Ausnahme. In der Reithalle der Kaserne allerdings nötig. Auch das Schlagzeug aus Sams Band bringt zusätzlich Bewegung rein. So war ich in der Probe hauptsächlich damit beschäftigt, alle Musizierenden wahrzunehmen, was durch die Verstärkung ziemlich schwierig war. Entsprechend muss man sich also auf die Tonmeister verlassen. Und das sind wir uns als Orchestermusiker nicht gewohnt; wir geben ungern die Kontrolle ab, sondern bevorzugen es, möglichst viele Faktoren selbst zu beeinflussen.
Du bist nicht nur mit dem Sinfonieorchester Basel unterwegs, sondern auch mit eigenen innovativen Projekten. In welcher Welt fühlst du dich mehr zu Hause: in der klassischen oder in der improvisierten?
Das ist eine gute und schwierige Frage. Ich wurde natürlich für das klassische Sinfonieorchester ausgebildet. Doch habe ich bereits während meinem Studium stets nach einem Weg gesucht, um meinen Horizont zu erweitern. Mit eigenen Projekten versuche ich immer wieder, etwas zu produzieren, das es bisher noch nicht gab. Ich möchte das Instrument Bassposaune in ein neues Licht rücken; weg von seinem Image als klassisches Orchesterinstrument oder Teil einer Big Band. Im Orchester ist der Rahmen nämlich häufig sehr klar vorgegeben; die Möglichkeiten, da auszubrechen, bleiben eher bescheiden. Vergleichbar mit Spitzensport vielleicht: Wenn sich ein Sprinter für die Disziplin 100 Meter entscheidet, macht er nebenbei nicht noch Hochsprung. Umso schöner ist es also, dass ich mich in beiden Welten bewegen darf. Denn als Orchestermusiker möchte ich natürlich auch, wenn immer möglich, die grossen Werke spielen. Für das sind wir da. Jede Woche ist anders. Und genau diese Vielfältigkeit liebe ich so sehr an meinem Beruf.
Wann und wieso hast du dich ausgerechnet für die Posaune entschieden?
Als ich etwa sechs Jahre alt war, durfte ich an einem Brass-Konzert einem eindrücklichen Posaunisten zuschauen. Seine Art zu spielen war unglaublich lässig und virtuos. Von diesem Moment an wollte ich Posaunist werden. Ganz klar. Ich komme also nicht aus einer Musikerfamilie.
Und wann wurde die Musik zu deinem Beruf?
Dass ich professioneller Musiker werden könnte, wurde mir erst sehr spät bewusst. Ich habe verschiedene Berufe ausprobiert, doch fühlte sich nichts richtig an. Einer meiner Lehrer meinte dann mal: Studiere doch Musik! Den ganzen Tag Posaune spielen? Ich wusste gar nicht, dass das tatsächlich möglich war. Ich habe mich dann für die Hochschule in Luzern entschieden, wo es mir sofort den Ärmel reingezogen hat. Nun spiele ich bereits seit zehn Jahren im Orchester.
Wie holt ihr mit dem Sinfonieorchester Basel auch das jüngere Publikum ab?
Konzerte wie das heutige mit Sam Himself sind da sicher förderlich. Im Vergleich zu anderen Städten und Orchestern ist das Publikum in Basel grundsätzlich aber relativ jung, was sehr schön, für mich als Musiker aber nicht relevant ist. Hauptsache, ich berühre meine Zuhörer*innen!
Gibts einen musikalischen Traum, der noch nicht in Erfüllung ging?
Neben Basel kamen für mich schon immer drei andere Orchester infrage: die Berliner Philharmoniker, die Wiener Philharmoniker, oder das Gewandhausorchester Leipzig. Vor zwei Wochen war ich fürs Probespielen in Leipzig und habe es gewonnen. Ich freue mich also enorm auf die nächste Saison. Ein Traum, der wahr wird!
Wow, Glückwunsch! Was aus Basel wird dir wohl am meisten fehlen?
In Basel schätze ich vor allem die Vielfältigkeit des Kulturlebens. Diese Offenheit – es war nicht schwierig, im Basler Kulturbereich Anschluss zu finden. Und das auch genreübergreifend. Andere Städte sind da in meinen Augen durchaus verschlossener.
Sinfonieorchester Basel
Ob in eigenen Konzertreihen, im Theater Basel oder bei Gastspielen im In- und Ausland: Das Sinfonieorchester Basel begeistert – unter der Leitung vom Chefdirigenten Ivor Bolton – immer wieder aufs Neue.
Dirigent und Arrangeur Michael Künstle hat für das diesjährige BScene Musikfestival ein Konzert mit Sam Himself auf die Beine gestellt, dessen Töne direkt unter die Haut gingen. Insgesamt 20 Orchestermusiker*innen (von total 100) standen gemeinsam mit dem erfolgreichen Basler Musiker auf der Bühne.
Seit August 2020 spielt das Sinfonieorchester Basel wieder in seinem Stammhaus, dem glanzvoll renovierten Stadtcasino Basel.
Bilder: Benno Hunziker & Pia Clodi (Porträts)
Diese Story ist ursprünglich im LoveYourCity Magazin erschienen – dem Erlebnismagazin für Basel mit Tipps, Geschichten und Highlights aus der Stadt.
Die Ausgabe gibt’s auch online zum Durchblättern. 👉 LoveYourCity Magazin Editionen 2022