Basels Strassennamen erzählen Geschichten – von Lokalheld:innen, Weltkultur und bewegten Jahrhunderten. Wer durch die Stadt spaziert, taucht ein in kleine Anekdoten und grosse Geschichte. Eine Zeitreise direkt auf dem Trottoir.

Wer sich mit der Geschichte Basels auseinandersetzen möchte, zieht am besten ein paar bequeme Turnschuhe an und unternimmt einen Spaziergang durch die Stadt. Seit 2017 enthalten sämtliche Strassenschilder Erklärungen zur Namensgebung der rund 1000 Basler Strassen. Ein immenser Rechercheaufwand, an dem auch der Basler Lokalhistoriker André Salvisberg massgeblich beteiligt war. Er ist ein wandelndes Basler Lexikon und begleitet meinen Stadtspaziergang mit spannenden Anekdoten.

Die Stadt dehnt sich aus

Bis zu den beschilderten, mit Erklärungen versehenen Strassennamen war es ein weiter Weg. Als mittelalterliche Stadt war auch Basel lange Zeit von einer Stadtmauer umgeben. Das dahinter umschlossene Strassennetz war typischerweise verwinkelt, schmal, kurvenreich – wirr. Die Strassen hatten zwar auch schon Namen, diese reduzierten sich jedoch auf inoffizielle Bezeichnungen, welche ihnen die Bevölkerung gegeben hat. Als um 1860 die Stadt aus allen Nähten zu platzen drohte und die mittlerweile rund 50'000 Einwohner an Platzmangel, unhaltbaren hygienischen Zuständen sowie Dichtestress litten, beschloss die Regierung, die Stadtmauern abzubrechen und den Stadtraum auszudehnen. In diesem Zuge wurde erstmals eine Kommission eingesetzt, welche die Stadt neu planen – und mit offiziellen Strassennamen versehen sollte. Heute ist dafür die Nomenklaturkommission verantwortlich, zu deren Mitglieder André Salvisberg gehört.

«Jeder Strassenname kann Geschichte bieten. Vielleicht nicht immer selbst, aber im Verbund mit anderen Strassennamen.»
André Salvisberg, Lokalhistoriker

«Die älteste, urkundlich erwähnte Basler Strasse ist übrigens die Eisengasse», erzählt Salvisberg gleich zu Beginn unseres Stadtspaziergangs mit ansteckender Begeisterung. Dieser Eintrag reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Überhaupt haben fast alle Strassen, die wir heute kennen, ihren Namen behalten. Eine der seltenen Ausnahmen bildet die heutige General Guisan-Strasse. «Diese hiess früher Militärstrasse und stammte aus einer Zeit von überbordendem Nationalismus, als die Armee um 1900 noch in der Mitte der Gesellschaft verankert war», klärt mich Salvisberg auf. «Mit General Guisan, der als Oberbefehlshaber die Schweiz durch den Zweiten Weltkrieg führte und zum Nationalhelden wurde, erhielt die Militärstrasse einen neuen würdigen Namensgeber.»

Jeder Strassenname ein Stück Geschichtsunterricht

Hat man erstmal damit angefangen, die Kurzerklärungen auf den Strassenschildern zu studieren, kann man gar nicht mehr damit aufhören.Die Basler Strassennamen orientieren sich an geografischen Merkmalen, an Auffälligkeiten in der Natur, sind Zeugnisse von spürbarem Lokalpatriotismus, viel Nationalstolz und einer Prise Weltkultur – und sie sind nie zufällig gewählt. Der Bundesplatz wurde 1901 benannt und ist der 400-jährigen Zugehörigkeit Basels zur Eidgenossenschaft gewidmet, der Wielandplatz ehrt eine bedeutende Basler Juristen-, Politiker- und Offiziersfamilie und der Fischerweg gibt einen Hinweis auf die nahe gelegenen Fischfangplätze am Rhein. Der Picassoplatz würdigt den weltberühmten Maler, der eine besondere Rolle in der Geschichte der Kulturhauptstadt Basel spielte und dem Kunstmuseum Basel vier seiner Werke schenkte. Die Mittlere Strasse bezeichnet hingegen schlicht und einfach die mittlere von drei ursprünglichen Zugangsstrassen, die in die historische Innenstadt führten: Auf der Achse zwischen Spalentor und St. Johanns-Tor liegt die Mittlere Strasse nämlich in der Mitte.

«Jeder Strassenname kann Geschichte bieten», schwärmt Salvisberg und fügt an, «vielleicht nicht immer selbst, aber im Verbund mit anderen Strassennamen.» Wir befinden uns im Gundeli und blicken auf das historische Strassenschild der Schillerstrasse. Friedrich Schiller – ein Basler? «Nein, aber», holt Salvisberg aus, «die Schillerstrasse ist Teil eines Ensembles von Strassennamen. Die benachbarte Tellstrasse sowie der Tellplatz sind nach dem Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell benannt. Friedrich Schiller hat wiederum das gleichnamige Drama geschrieben, Ludwig Uhland – Namensgeber der Uhlandstrasse – widmete Tell eine Ballade.» Zusammen bilden sie einen in sich geschlossenen Mikroverbund an verwandten Strassennamen, welche allesamt den Helden mit der Armbrust ehren und Basels Nationalstolz zum Ausdruck bringen.

Beim genauen Hinschauen offenbart jedes Basler Stadtquartier solch spannende Geschichten. Das Iselin-Quartier umfasst einen Verbund von elsässischen Strassennamen (Colmarerstrasse, Hegenheimerstrasse, Strassburgerallee), die Altstadtgassen verweisen auf alte Berufe und Zunfttätigkeiten (Gerbergasse, Schneidergasse, Hutgasse), das St. Johann greift seine Geschichte als bedeutendes Industriequartier auf und fasziniert mit energiegeladenen Strassennamen (Wattstrasse, Lichtstrasse, Gasstrasse).

Du möchtest mehr zu den Basler Strassennamen wissen?

Im Buch «Die Basler Strassennamen» von André Salvisberg wird dir geholfen – erschienen im Christoph Merian Verlag. Ausserdem findest du alle Erklärungen der Basler Strassennamen auf dem Digitalportal des Kantons Basel-Stadt.

Diese Story ist ursprünglich im LoveYourCity Magazin erschienen – dem Erlebnismagazin für Basel mit Tipps, Geschichten und Highlights aus der Stadt.
Die Ausgabe gibt’s auch online zum Durchblättern. 👉 LoveYourCity Magazin Editionen 2025